Vom Geruchstagebuch zum Wärmespender.
Passend zum Thema Kontrollbedürfnis im Berufsumfeld zählt unter den prominentesten Modemachern gewiss Hedi Slimane (legendär seit seiner Zeit bei Dior Homme, nun bei Celine im Einsatz) zu jenen, die, gelinde gesagt, für ihre Hands-on-Mentalität bekannt sind. So ist es kaum verwunderlich, dass die exquisite Haute-Parfumerie-Kollektion, die unter seiner Ägide von Celine lanciert wurde, maßgeblich durch sein Zutun entsteht. Wie Kollege Tom Ford, der ebenfalls nicht kommuniziert, ob und mit welchen „Nasen“ er zusammenarbeitet, tritt Slimane hier als „Couturier-Parfumeur“ auf. Und man muss sagen: mit feiner Nase.
Grundlage ist ein Geruchstagebuch („Olfactory Journal“), in dem Slimane die Inspiration für jeden neuen Duft vermerkt. Im Falle von „Bois dormant“, seinem elften Parfum, sind es Erinnerungen an London-Aufenthalte als 19-Jähriger, wo er sich auf die Suche nach perfekt verarbeiteten Secondhand-Herrenanzügen von der Savile Row machte. Die gentleman-gemäßen Noten von Bergamotte, Vetiver und Zedernholz lassen geruchlich nachvollziehen, wie der blutjunge Hedi in den späten Achtzigern durch London zog (streng genommen fehlt die Patschulinote, die wohl durch Camden Town wehte).
Kollege Jacques Cavallier Belletrud führt indessen seine Hommage an die Geruchskultur des Nahen Ostens für Louis Vuitton mit „Fleur du désert“ fort: eine Komposition aus Blüten, kostbarem Adlerholz (Oudh) und Zimt – in der Hoffnung, dass auch Parfums als Wärmespender taugen.
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("Die Presse Schaufenster" vom 7.10.2021)