Interview

Wilfried Haslauer: „Arbeitslosigkeit ist immer teurer als Hilfen“

(c) Franz Neumayr / picturedesk.com
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Salzburgs Landeshauptmann Haslauer will, dass Energiekonzerne ihre Übergewinne freiwillig an die Kunden weitergeben.

Die Presse: Kühlere Schwimmbäder, langsamere Lifte, weniger Beschneiung: Wird das genügen, um in der Salzburger Tourismuswirtschaft die Energiekosten abzufedern?

Wilfried Haslauer: Nein, das wird nicht reichen. Einsparen geht immer, aber man muss schauen, in welchem Ausmaß das sinnvoll ist. Die Gäste erwarten Erlebnis und Komfort. Die Tourismusbetriebe haben schon in der Vergangenheit viel gemacht: In den Jahren 2008 bis 2019 gab es österreichweit ein Plus von 20 Prozent bei den Nächtigungen, aber einen Rückgang von 44 Prozent beim Energieverbrauch. Das ist eine Einsparung von 50 Prozent pro Nächtigung.


Die Bundesregierung hat gerade den Energiekostenzuschuss in der Höhe von 1,3 Milliarden Euro beschlossen. Ist das genug?

Das wird nicht reichen. Der Energiekostenzuschuss ist Hilfe für die Vergangenheit, unsere Betriebe brauchen aber Planungssicherheit für die Zukunft. Es wird zu einem zweiten Hilfspaket kommen müssen.

Impressum

Dieses Interview erscheint im Rahmen von „Austria's Leading Companies“. Die Beilage wird von der „Presse“-Redaktion in voller Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich. ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, DONAU Versicherung und Wiener Städtische Versicherungsverein, Škoda, TÜV AUSTRIA sowie Zero Project.

Redaktion: Hans Pleininger, hans.pleininger@diepresse.com
Autoren: Christian Scherl, Matthias Auer
Grafik: Martin Misarz
Infografik: Gregor Käfer
Content Management: Isabella Karner


Wird das Land Salzburg auch ein eigenes Paket schnüren?

Ich bin eher ein Verfechter, dass die Energiewirtschaft zur Kostendämpfung beiträgt. Man sollte zulasten überbordender Gewinne die Strompreise senken. Das hätte auch eine dämpfende Wirkung auf die Inflation. Hohe Energiepreise und Ersatz danach ändern nichts an der Inflation. Sinnvoll wäre eine österreichweite Lösung. Ich habe der Bundesregierung einen entsprechenden Vorschlag gemacht, sie hat sich nun für den Energiekostenzuschuss entschieden. Er kommt den großen Verbrauchern zugute, die kleinen und mittleren Unternehmen haben weniger davon. Wir sind in einer ähnlichen Situation wie in der Pandemie: Es geht darum, gesunde Unternehmen in ihrer Struktur zu erhalten und nicht in die Rezession zu kippen. Arbeitslosigkeit ist immer teurer als Hilfen. Wir sehen jetzt in Salzburg die Auswirkungen der Steuerhilfen der Bundesregierung während der Pandemie: Viele Betriebe haben massiv investiert, das verschafft uns jetzt einen echten Wettbewerbsvorteil.


Wenn die Strompreisregulierung nicht österreichweit kommt, wird Salzburg einen eigenen Weg gehen?

Ja. Wir werden das über die Salzburg AG umsetzen.


Der Energiekostenzuschuss verbietet Heizschwammerln, Flutlichtpisten sind aber erlaubt. Ist das der richtige Weg?

Das ist nicht nachvollziehbar, diese Regelung war ein Anliegen der Grünen. Das ist reine Symbolpolitik. Ich möchte das nicht weiter kommentieren.


Die Wien Energie hat Kredite vom Staat benötigt, um weiter Geschäfte an den Strombörsen machen zu können. Kann das bei der Salzburg AG auch passieren?

Wir haben in Salzburg eine ganz andere Struktur. Die Salzburg AG kauft direkt beim Verbund und anderen Erzeugern. Diese OTC-Geschäfte sind auch nicht billiger an der Börse, aber die Sicherheitsleistungen entfallen. Wir haben das gesamte Risikomanagement schon in der Vergangenheit prüfen lassen, die Bewertungen sind sehr positiv ausgefallen. Ich sehe da kein Problem.


Wer sind in Salzburg die großen Energieverbraucher unter den Unternehmen?

Das sind die großen Salzburger Industriebetriebe, die aber viel tun, um unabhängiger zu werden. Der weltweit führende Hersteller für Holzwerkstoffe und Fußböden Kaindl, der 6,5 Prozent des gesamten Stromverbrauchs im Land benötigt, investiert massiv in eine Altholzverbrennungsanlage. Das reduziert den Gasverbrauch im Werk um vier Fünftel – gleichzeitig entsteht Abwärme, mit der wir 18.000 Kunden mit Fernwärme versorgen können. Gemeinsam mit dem Heizkraftwerk Siezenheim können wir dann den Gasverbrauch im Bundesland um 42 Prozent senken.


Aber das dauert doch alles lang?

So lang ist das nicht, die Anlage geht 2025 in Betrieb.


Wie weit ist Salzburg beim Ausbau erneuerbarer Energie?

Bei Wasserkraft sind wir gut aufgestellt, der Bau von Fotovoltaikanlagen nimmt Fahrt auf. Probleme macht da eher die Verfügbarkeit von Anlagenkomponenten und Personal. Wir werden Fotovoltaik auch auf großen Flächen errichten, nicht nur auf Dächern.


Ein Problem sind die langen Verfahren?

Ich habe eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Beschleunigung beim Ausbau erneuerbarer Energie vorschlägt. Es kann nicht sein, dass etwa das Verfahren für ein Wasserkraftwerk bei Stegenwald fast zehn Jahre dauert. Wir müssen Verfahren beschleunigen, vielleicht durch kürzere Fristen oder durch eine Priorisierung bei den Gerichtshöfen. Man könnte statt Verboten auch Ausgleichsmaßnahmen ermöglichen. Man darf nicht das Kind mit dem Bade ausschütten, auch die Biodiversität ist wichtig. Aber es muss schneller klar sein, ob ein Projekt umgesetzt werden kann.

Wie sieht es mit der Windkraft im Bundesland aus?

Auch hier müssen wir schneller werden. Es wurden im Landesentwicklungsplan für Windkraft mögliche Flächen ausgewiesen. Das wird jetzt abgearbeitet. Am weitesten gediehen ist das Projekt in Flachau. Natürlich spielt in einem Land wie Salzburg die Landschaftsästhetik eine Rolle.


Die Unternehmen treiben nicht nur die hohen Energiekosten und Preissteigerungen um, sondern auch die Suche nach Mitarbeitern. Wie sieht es derzeit aus?

Wir haben eine Arbeitslosenquote von 3,2 Prozent, Mitarbeiter fehlen in allen Bereichen. Wir suchen Pflegekräfte, Elementarpädagogen, Lehrer. Der Mangel an Beschäftigten hat mit der demografischen Entwicklung zu tun, aber auch mit geänderter Einstellung zu Arbeit und Freizeit sowie mit langen Ausbildungszeiten. Dazu kommt, dass gerade im Tourismus Mitarbeiter fehlen, die in ihren eigenen Ländern aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung Arbeit finden. Wir waren deshalb mehrfach mit Bundesminister Martin Kocher in Kontakt, um die Richtlinien der Rot-Weiß-Rot–Card anzupassen.


Wie kann man gegensteuern?

Wir brauchen mehr Durchlässigkeit und niederschwellige Einstiegsmöglichkeiten in einen Beruf. Es geht auch um eine Attraktivierung von Berufsfeldern, wie wir es jetzt in Salzburg mit der Pflegeplattform II versuchen. Da gibt es höhere Gehälter, aber auch eine Entlastung der Beschäftigten durch Dienstplansicherheit oder zusätzliches Personal bei Nachtdiensten.


Die Coronazahlen steigen. Wird es in diesem Herbst und Winter wieder Beschränkungen geben müssen?

Ich kann das nicht ausschließen. Unsere Experten erwarten einen Peak der Herbstwelle in der zweiten Oktoberhälfte, der sich dann einebnen sollte. In Kombination mit Impfen wird das zu einer Grundimmunisierung vor dem Winter führen.


Was, wenn es zum Saisonstart wieder Reisewarnungen durch Märkte wie Deutschland gibt?

Reisebeschränkungen sehe ich nicht, zumal die Krankheit ja in den vergangenen zwei Jahren viel von ihrem Schrecken verloren hat. Aber es bleibt eine schwere Erkrankung.


Stadt und Land Salzburg haben ein Kulturbautenprogramm beschlossen. Wie weit ist die Umsetzung?

Es ist alles auf Schiene. Für die Erweiterung des Salzburg-Museums ist der Wettbewerb entschieden, es geht in die Planungsaufträge. Bei den Festspielhäusern sind die Planungsaufträge zum Teil schon vergeben. Wir werden alle vorgesehenen Projekte bis zur Bewilligung vorantreiben. Wann mit dem Bau begonnen wird, hängt aber auch von der Preisentwicklung ab. Die Teuerung ist eine riesige Herausforderung.


Dieser Tage hat die Landesregierung beschlossen, die Antheringer Au um 37 Millionen Euro vom der Familie Mayr-Melnhof zu kaufen. Verstehen Sie die Kritik, dass man das Geld besser im Sozial- oder Pflegebereich investiert hätte?

Ja, aber die Chance hatten wir jetzt, und dann gibt es sie nicht mehr. Wir können damit einen einzigartigen Naturpark schaffen und die Eintiefung der Salzach verhindern. Wenn es dort zu einem Sohledurchbruch kommt, haben wir ein riesiges Überschwemmungsgebiet. Außerdem gibt es in der Au ein Wasservorkommen, das nun in öffentlicher Hand ist. Bei allem Verständnis für Tagespolitik, so eine Chance muss man ergreifen. Noch dazu, weil der überwiegende Teil des Geldes von der EU und vom Bund kommt. Im Pflegebereich investieren wir beispielsweise in den kommenden fünf Jahren mit 220 Millionen Euro auch sehr viel Geld.


Mit dem neuen Grundverkehrspaket werden private Ferienwohnungen zum Auslaufmodell. Ist das in einem Tourismusland wie Salzburg ein gutes Signal?

Ja, wir setzen in Salzburg auf gewerblichen Tourismus und nicht auf private Ferienwohnungen. Wir wollen in Salzburg keine kalten Betten. Grund und Boden sind ein begrenztes Gut. Die Preise werden so in die Höhe getrieben, dass sich die Einheimischen nichts mehr leisten können. Das geht nicht.

Hat die Erweiterung des Einkaufszentrums Europark nach der Landtagswahl im April 2023 noch einmal eine Chance?

Das wird sicher Teil der Koalitionsgespräche sein. Ich sehe das ganz pragmatisch: Wenn für eine Erweiterung die Bewilligungsvoraussetzungen vorliegen, ist es zu bewilligen. Sie liegen vor. Die Genehmigung ist am Einstimmigkeitsprinzip in der Landesregierung gescheitert. Die Grünen waren dagegen.


Welches Ziel haben Sie für die Landtagswahl im April 2023?

Damit befasse ich mich noch nicht, bis zur Wahl ist noch eine Menge zu tun. Es gibt so vielschichtige Krisensituationen, auf die wir uns vorbereiten müssen: Krieg in der Ukraine, Pandemie, Energielenkung, Flüchtlingsströme, Blackout, Cybersicherheit, Strahlenschutz – wir haben in vielen guten Jahren geglaubt, dass solche Dinge nicht passieren können. Jetzt müssen wir uns vorbereiten. Deshalb werden wir so spät wie möglich in den Wahlkampf starten. Wir wollen als Salzburger ÖVP wieder Nummer eins werden und dann eine tragfähige Regierung bilden. Mit wem das sein wird, darauf lege ich mich jetzt nicht fest.

Zur Person

Wilfried Haslauer ist seit Juni 2013 Landeshauptmann von Salzburg. Der Jurist wird sich im April 2023 zum dritten Mal einer Landtagswahl stellen. Er will „so spät wie möglich mit dem Wahlkampf starten“. Immerhin gebe es genügend Probleme zu bewältigen. Etwa die Energiekrise. Hier fordert er schnellere Verfahren, um erneuerbare Energieprojekte zu forcieren.
Kritik übt er an der „grünen Symbolpolitik“, die in kühleren Schwimmbecken in Bädern, im Heizschwammerl-Verbot oder im Nachtschifahrverbot gegipfelt habe. „Einsparen geht immer, aber man muss schauen, in welchem Ausmaß das sinnvoll ist. Die Gäste erwarten Erlebnis und Komfort. Die Tourismusbetriebe haben schon in der Vergangenheit viel gemacht“, betont Haslauer.

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