Wirtschaft

IWF-Prognose: Ein Drittel der Weltwirtschaft rutscht 2023 in die Rezession

Als Hauptgrund für die schlechten Aussichten nannte der Internationalen Währungsfonds die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sprunghaft gestiegenen Preise.

Die globale Konjunktur wird sich nächstes Jahr weiter abkühlen. Ein Drittel der Weltwirtschaft dürfte bis 2023 in eine Rezession rutschen, hieß es am Dienstag im neuen Weltwirtschaftsbericht des Internationalen Währungsfonds, der in Washington veröffentlicht wurde. Als Hauptgrund nannte der IWF die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine sprunghaft gestiegenen Preise, die die Kaufkraft der Verbraucher deutlich einschränken.

Die Weltwirtschaft stehe vor riesigen Herausforderungen, weil die Inflation hartnäckiger sei als gedacht und auch China an Zugkraft verliere. "Das Schlimmste kommt erst noch und für viele Menschen wird sich 2023 auch wie eine Rezession anfühlen", sagte IWF-Ökonom Pierre-Olivier Gourinchas.

Der IWF senkte zu Beginn der Beratungen seiner Mitgliedsstaaten diese Woche in der US-Hauptstadt erneut die Prognose für 2023. Demnach dürfte die Weltwirtschaft nur noch um 2,7 Prozent zulegen, im Juli wurden noch 2,9 Prozent erwartet. Für 2022 wird weiterhin mit einem Plus von 3,2 Prozent gerechnet. Gegenüber 2021 mit einem Wachstum von 6,0 Prozent sind das magere Werte.

Die Prognose sei die schwächste seit rund 20 Jahren - mit Ausnahme der Vorhersagen während der Pandemie und der Weltfinanzkrise, hieß es in dem Bericht. Entscheidend sei nun, ob mit strenger Geldpolitik die Inflation zurückgehe. Allerdings könnten die hohen Zinsen eine Schuldenkrise in einkommensschwachen Ländern auslösen. Eine übermäßige strenge Geldpolitik berge auch das Risiko, die Weltwirtschaft in eine "unnötig harte Rezession zu stürzen", warnte Gourinchas.

Europa besonders betroffen

Die wichtigsten Wirtschaftsregionen schwächeln alle. Europa ist besonders vom Krieg in der Ukraine betroffen. Die Gaspreise haben sich seit 2021 mehr als vervierfacht. In den USA schiebt der Konsum die Wirtschaft nicht mehr wie gewohnt an und in China wirken sich Corona-Einschränkungen sowie Spannungen auf dem Immobilienmarkt negativ aus.

Mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft werde 2023 schrumpfen, warnte nun der IWF. In den drei größten Volkswirtschaften - den USA, der Europäischen Union und China - werde das Wachstum stagnieren. Die Energiekrise in Europa sei dabei "kein vorübergehender Schock", warnte Gourinchas. Die geopolitische Neuordnung der Energieversorgung im Zuge des russischen Angriffskriegs sei "umfassend und dauerhaft". Der IWF-Chefökonom prophezeite: "Der Winter 2022 wird eine Herausforderung sein, aber der Winter 2023 wird wahrscheinlich noch schlimmer sein."

Der IWF rechnet damit, dass die Inflation, die derzeit in vielen Ländern auf dem höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten liegt, Ende 2022 ihren Höhepunkt erreichen wird. Sie werde aber noch länger auf einem deutlich erhöhten Niveau bleiben. Weltweit dürften die Verbraucherpreise 2022 um satte 8,8 Prozent anziehen, 2023 immer noch um 6,5 Prozent. Damit wurden die bisherigen Schätzungen noch einmal nach oben angepasst. 2024 wird dann 4,1 Prozent erwartet. Schwellen- und Entwicklungsländer werden dabei stärker betroffen sein als Industrienationen. Für sie ist der starke Dollar, der auf dem höchsten Niveau seit zwei Jahrzehnten liegt, ein großes Problem.

Notenbanken im Fokus

Im Fokus stehen aktuell die Notenbanken, die zuletzt mit unüblich kräftigen Zinserhöhungen versuchen, wieder für eine stabilere Preisentwicklung zu sorgen. Hier besteht laut IWF das Risiko, sowohl zu wenig zu machen als auch zu viel. Zu kräftige Zinserhöhungen könnten das Wachstum über die Maßen abwürgen, ein zu langes Zögern die Inflation nicht bändigen. Es gehe dabei auch um die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken. Die Finanzpolitik sollte in der Energiekrise vor allem den Schwächsten der Gesellschaft zeitlich befristet helfen. Trotz aller Risiken müssten sich daher die Zentralbanken auf die Eindämmung der Inflation konzentrieren, so der IWF.

"Wir empfehlen den Zentralbanken, den Kurs beizubehalten", sagte IWF-Chefvolkswirt Gourinchas mit Blick auf die strenge Geldpolitik. Die US-Notenbank Fed hatte sich zuletzt mit mehreren kräftigen Zinserhöhungen gegen die extrem hohe Teuerungsrate gestemmt. Fed-Chef Jerome Powell hatte deutlich gemacht, dass weitere Erhöhungen des Leitzinses zu erwarten sind. Die EZB hatte nach langem Zögern im Juli die Wende hin zu höheren Zinsen eingeleitet.

Doch eine weitere Straffung der Geldpolitik in den Industriestaaten erhöhe den Druck auf Kreditkosten in einkommensschwächeren Staaten, so der IWF. Das wäre für die von der Pandemie sowieso schon schwer getroffenen Länder fatal - und hätte auch weltweite Folgen. "Eine sich ausweitende Schuldenkrise in diesen Volkswirtschaften würde das globale Wachstum stark belasten und könnte eine weltweite Rezession auslösen."

Unsichere Prognose

Der IWF betont, dass die Prognosen außerordentlich unsicher seien. Die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft hänge entscheidend von der Geldpolitik, dem Verlauf des Krieges in der Ukraine und möglichen weiteren pandemiebedingten Störungen - etwa in China - ab. Die weitere Aufwertung des US-Dollars dürfte außerdem zu weiteren Spannungen führen. Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs könnten Europa weiter belasten. Ein Wiederaufflammen von Corona oder neue globale Gesundheitsängste könnten das Wachstum weiter bremsen.

In Europa spürt Deutschland die Auswirkungen des Kriegs und der starken Energieabhängigkeit von Russland besonders deutlich. Anders als etwa Frankreich, Spanien und Großbritannien rechnet der IWF für Deutschland 2023 mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung - konkret von minus 0,3 Prozent. Damit wurde die Schätzung aus dem Juli um 1,1 Prozentpunkte reduziert. Auch Italien dürfte nächstes Jahr ins Minus rutschen. Die USA werden 2022 und 2023 um 1,6 und 1,0 Prozent wachsen. Dabei wurde die Schätzung für dieses Jahr deutlich zurückgenommen. Für China sind die IWF-Experten ein Tick pessimistischer und rechnen 2022 und 2023 nun mit Wachstumsraten von 3,2 und 4,4 Prozent - wenig für chinesische Verhältnisse.

(APA/dpa)

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