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Das "Fucking" von New Mexico

Je kurioser, desto häufiger ist die Ortstafel weg. Berühmtes Beispiel aus Österreich ist das frühere Fucking, heute Fugging.
Je kurioser, desto häufiger ist die Ortstafel weg. Berühmtes Beispiel aus Österreich ist das frühere Fucking, heute Fugging. (c) FAB PHOTOS
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Über toponymische Ausreißer – oder weshalb ich froh bin, nicht aus Tea-or-Sea zu stammen.

Ich bin froh, in Salzburg geboren zu sein, nicht in Pforzheim, und erleichtert, in Wien zu leben und nicht in Truth or Consequences (New Mexico). Wegen des Erklärungsbedarfs! Vor 1950 hieß es dort Hot Springs. Ein Radiomoderator hatte aber versprochen, die zehnjährige Jubiläumssendung in jenem Ort zu produzieren, der den Namen seiner Show annehmen würde. Ein Referendum im Heißquellstädtchen beschloss mit 1294 : 295 Stimmen die Umbenennung in Truth or Consequences. Dabei blieb es, die Locals nennen ihre Heimat lässig T-or-C, phonetisch Tea-or-Sea.

Wer aus Once Brewed/Twice Brewed in Northumberland stammt oder aus Pity Me (Durham), wird im UK mit Lach­salven diskriminiert. Die Schnauze voll hatten die Einwohner von Shitterton (Dorset) – ihr Ortsschild wurde ständig gestohlen, bis sie es durch einen 1,5 Tonnen schweren Ortsstein ersetzten. Die Shittertonians sind simply stolz auf Shitterton! In Österreich läuft so etwas weniger würdevoll ab: Fucking im Innviertel benannte sich 2021 in Fugging um – Ende eines Ortstafeltourismus. Immerhin gibt es noch Sexling, Ortsteil von Rohrbach-Berg/OÖ, und in Bayern Petting.


Auf einer Reise zu namensauffälligen Orten führe ich hintereinander nach Hühnergeschrei, Busendorf, Kuhfraß, Linsengericht, Abenteuer, Schabernack, Hodenhagen, Krätze, Regenmantel, Kotzfeld, Leichendorf, Dümmer, Oberhäslich, Edelschrott, Großklein, Samendorf, Mösendorf, Votzenthalhof, Halbhusten, Katzenhirn und Aua. Außerhalb des deutschsprachigen Raumes ginge es nach Condom (F), Y (F), Dildo (Can), Crap (Alb), Slut (Sve), Blowhard (Aus), Vagina (Rus), Shit (Iran), Horni Police (Cz), Ǻ (Lofoten), Surprise (Arizona), Disco (Tennessee), Frankenstein ­(Missouri) und Fear Not (Pennsylvania) – denn in Le Tampon auf La Réunion war ich bereits, und Unterstinkenbrunn kenne ich aus der Kindheit.


Zuletzt würde ich im Dachsteingebiet zum Arschlochwinkel wandern. Im 19.  Jahrhundert suggerierten humorvolle Einheimische den Kartografierenden diesen Namen, „des heißt bei uns scho allweil so, leider“. Von den Reise­strapazen würde ich mich in Namlos (Bezirk Reutte) erholen. 

("Die Presse Schaufenster" vom 07.10..2022)

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