Am Donnerstag, einen Tag vor Weihnachten, entscheidet der Oberste Gerichtshof. Mit einer Reduktion der erstinstanzlichen Haftstrafe für Elsner neuneinhalb Jahre Haft ist jedenfalls zu rechnen.
Wien. Im bisher größten Wirtschaftsstrafverfahren der österreichischen Justizgeschichte spricht der Oberste Gerichtshof (OGH) am Donnerstag (23.Dezember) ein Machtwort. Die mit Spannung erwartete Frage: Wird der schon fast vier Jahre in U-Haft sitzende Ex-Bawag-General Helmut Elsner (75) endlich auf freien Fuß gesetzt?
Angesichts der zuletzt durch die Generalprokuratur errechneten, astronomisch anmutenden Schadenssumme von 1,4 Milliarden Euro ist dies nicht unbedingt zu erwarten. Mit einer Reduktion der erstinstanzlichen Haftstrafe für Elsner – neuneinhalb Jahre Haft – ist aber unbedingt zu rechnen. Schließlich fordert die Generalprokuratur, also die beim OGH eingerichtete „Rechtswahrerin“, der zuständige Fünf-Richter-Senat möge Teile des erstinstanzlichen Elsner-Spruchs aufheben. Teilt der OGH bei Prüfung der von Elsner eingebrachten Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde, Berufung) diese Ansicht, wirkt sich das wohl strafsenkend aus: Ob allerdings der OGH die Strafe so weit schmälert, dass die bisherige – von vielen Beobachtern scharf kritisierte – U-Haft „unverhältnismäßig“ wird, darf bezweifelt werden. Und praktisch nur in diesem Fall hätte Elsner gute Chancen, Weihnachten mit seiner für ihn unermüdlich kämpfenden Ehefrau, Ruth Elsner, zu verbringen. Derzeit versucht Ruth Elsner per Brief an Bundespräsident Heinz Fischer, das Ruder zu ihren Gunsten herumzureißen.
Nicht vergessen werden darf, dass der OGH noch Ende Oktober die überlange U-Haft als grundrechtskonform eingestuft und damit auch den umstrittenen U-Haft-Grund „Fluchtgefahr“ bestätigt hat.
Freilich ist die Entscheidung, die am Donnerstag im Wiener Justizpalast verkündet wird (die Gerichtstage sind für Mittwoch und Donnerstag anberaumt), auch eine Beurteilung der richterlichen Arbeit von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Diese hatte als Vorsitzende eines Schöffensenats im Juli 2008 nach 117 Verhandlungstagen im Straflandesgericht Wien die Ersturteile gefällt. Und war danach als populäre „Bawag-Richterin“ in die Politik gewechselt. Alle neun Angeklagten wurden damals wegen Untreue bzw. Beteiligung an der Untreue für schuldig erkannt. Kern des Verfahrens waren die desaströsen Karibik-Spekulationsgeschäfte der Bawag.
Ministerin: „Keine Blamage“
Die Generalprokuratur hat mittlerweile Bandion-Ortners Urteile zerpflückt: Bei Elsner sollen die Verurteilungen wegen schweren Betrugs (Erschleichen von 6,8 Millionen Euro Pensionsabfindung) und Bilanzfälschung zur Gänze aufgehoben werden. Jedoch wurde beim schwersten Brocken, der Untreue, eben ein Schaden von 1,4 Milliarden Euro (das Erstgericht kam auf 1,7Milliarden) bestätigt. Weiters empfiehlt die Prokuratur bei sechs der neun Verurteilten wegen schwerer Mängel im schriftlichen Urteil gar eine Neuaustragung des Prozesses.
Bandion-Ortner auf die Frage, ob sie es nicht als Blamage empfinde, sollte der OGH der Prokuratur folgen, zur „Presse“: „Nein, das ist keine Blamage. Der OGH urteilt nicht über mich, sondern über andere.“ Österreichweit würden mehr als 800 Nichtigkeitsbeschwerden pro Jahr eingebracht, 250 davon würden zu (Teil-)Aufhebungen der bekämpften Urteile führen. Dass die, formal betrachtet, dem Justizressort unterstehende Generalprokuratur so hart mit der eigenen Chefin ins Gericht geht, wertet Bandion-Ortner als „Zeichen der Unabhängigkeit“. Und die Ministerin verweist auf den Umstand, dass die Prokuratur bei Elsner immerhin den Hauptteil der Untreue bestätige.
Bleibt für Donnerstag noch die Möglichkeit, dass der OGH über die Elsner-Strafe gar nicht entscheidet, sondern dies dem Straflandesgericht Wien aufträgt.
§Die öffentlichen Gerichtstage auf einen Blick
Johann Zwettler.
Nicht nur über Helmut Elsner – seine Strafe kann, sollte der OGH unerwartet voll auf Härte setzen, maximal zehn Jahre Haft betragen –, sondern auch über dessen seinerzeitigen Nachfolger an der Bawag-Spitze, Johann Zwettler (fünf Jahre Haft in erster Instanz), wird am Donnerstag öffentlich entschieden. Zumindest Elsner hat angekündigt, persönlich vor den OGH treten zu wollen. [APA]
Peter Nakowitz. Als rechte Hand Elsners erhielt der Ex-Bawag-Generalsekretär in erster Instanz vier Jahre Haft. Auch über seine Rechtsmittel wird der OGH im Rahmen der öffentlichen Gerichtstage entscheiden. Über Spekulant Wolfgang Flöttl und die fünf weiteren erstinstanzlich Verurteilten wird „nicht öffentlich“ beratschlagt. Es könnte aber dann eine Gesamtentscheidung verkündet werden. [Bruckberger]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2010)