Südkaukasus-Experte Malerius über die Folgen des Ukraine-Krieges für das Nachbarland Georgien.
Die Presse am Sonntag: Georgien hat seine eigenen Konflikte mit dem Nachbarn Russland; Moskau ist die Schutzmacht der abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien. Wie hat sich der Ukraine-Krieg auf das Land ausgewirkt?
Stephan Malerius: Die Position der georgischen Regierung unterscheidet sich bemerkenswert von der Stimmung in der Bevölkerung. Die Unterstützung für die Ukraine ist im Volk sehr groß, in Tiflis hängen viele ukrainische Flaggen. Die Regierung hält sich indes zurück und versucht, neutral zu bleiben. Sie stimmt im Europarat oder in der UN-Generalversammlung mit dem Westen, aber vermeidet Kritik an Russland.
Warum?
Ursprünglich aus Angst, dass Georgien das nächste Land sein könnte, das Russland nach einem Sieg in der Ukraine angreift. Mittlerweile ist diese Gefahr nicht mehr so imminent, aber die Regierung ist trotzdem weiter sehr zurückhaltend. Deshalb gibt es ja auch seit März keinen ukrainischen Botschafter mehr: Kiew hat ihn aus Protest gegen die Haltung von Tiflis abgezogen.