Budget

Jeremy Hunt zieht für Premierministerin Truss die Budget-Notbremse

Jeremy Hunt auf dem Weg zur Downing Street, wo er am Montag ein kurzes Pressestatement abgab.
Jeremy Hunt auf dem Weg zur Downing Street, wo er am Montag ein kurzes Pressestatement abgab.REUTERS
  • Drucken

Vor vier Wochen angekündigt, ist die Steuer- und Finanzpolitik der neuen Premierministerin Truss schon Vergangenheit. Ihr neuer Finanzminister streicht jegliche Steuererleichterung. Und er gibt dem Energiepreisdeckel ein Ablaufdatum.

Nur eineinhalb Monate nach ihrem Amtsantritt steht die britische Premierministerin Liz Truss vor dem Scherbenhaufen ihrer Politik. Ihr neuer Finanzminister Jeremy Hunt machte am Montag in London so gut wie alle zuvor angekündigten Steuererleichterungen rückgängig. Sogar die Laufzeit des staatlichen Energiepreisdeckels wurde von zwei Jahren auf sechs Monate verkürzt. Die 47-jährige Truss ist erst seit Anfang September als Premierministerin und Tory-Chefin im Amt.

Der neue Finanzminister Hunt - selbst erst seit Freitag auf seinem Posten - äußerte sich in einer kurzfristig anberaumten Erklärung. Hintergrund ist das Chaos an den Finanzmärkten, das die Regierung unter Truss durch ohne Gegenfinanzierung angekündigte Steuersenkungen ausgelöst hatte. "Das wichtigste Ziel für unser Land ist jetzt Stabilität", sagte Hunt bei der im Fernsehen übertragenen Erklärung.

Truss will dennoch „liefern"

Trotz der Kehrtwende wolle Truss im Amt bleiben und "liefern", sagte ein Sprecher der konservativen Regierungschefin vor Journalisten. Es gilt jedoch als äußerst fraglich, ob sich Truss halten kann. Als mögliche Nachfolger werden Ex-Finanzminister Rishi Sunak, die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt und Verteidigungsminister Ben Wallace gehandelt. Selbst über eine Rückkehr von Ex-Premier Boris Johnson wird spekuliert.

Truss hatte sich über den Sommer im Rennen um die Nachfolge ihres skandalumwitterten Vorgängers mit dem Versprechen radikaler Steuererleichterungen bei den Mitgliedern der konservativen Tory-Partei durchgesetzt. Ihrer auch als "Trussonomics" bezeichneten Strategie zufolge sollten niedrigere Steuern unmittelbar zu starkem Wirtschaftswachstum führen. Doch das erwies sich als Luftschloss und gilt nun als krachend gescheitert.

Stattdessen ging das Vertrauen der Anleger in die britische Regierung offenbar völlig verloren. Das Pfund fuhr im Verhältnis zum US-Dollar in den Keller. Die Bank of England musste mehrmals intervenieren und im großen Stil Staatsanleihen kaufen. Steigende Zinsen für Immobilienkredite verschärften für viele Hausbesitzer die Krise der Lebenshaltungskosten.

Als die Notenbank am vergangenen Freitag ihren Anleihenkauf auslaufen ließ, sah sich Truss zum Handeln gezwungen. Sie entließ ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng, kündigte eine teilweise Abkehr von ihrer Steuerpolitik an und berief Hunt. Nun legte sie nach. Ob Truss damit ihr Amt retten kann, ist offen. Besonders die Deckelung der Energiepreise für Haushalte und Unternehmen galt als ihr wichtigstes politisches Projekt.

Truss muss sich am Mittwoch dem Parlament stellen

Das konservative Magazin "Spectator" schrieb vom "größten selbstverschuldeten politischen Fehler" seit der Suez-Krise 1956. "Ihr intellektuelles und politisches Projekt ist am Ende", so das Blatt. Ein freiwilliger Rücktritt oder ein Sturz von Truss gilt inzwischen beinahe als unausweichlich. Noch am Montagnachmittag wollte sich Hunt zu der steuerpolitischen Kehrtwende im Parlament äußern. Spätestens am Mittwoch muss sich die Premierministerin ohnehin den Fragen der Abgeordneten stellen.

Zu den inzwischen zurückgenommenen Steuersenkungen gehörten die Verringerung des Basis-Satzes bei der Einkommenssteuer von 20 auf 19 Prozent und eine geringere Unternehmenssteuer. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon, die derzeit ihre Kampagne für ein vom Vereinigten Königreich unabhängiges Schottland vorstellt, sprach von einer "selbstverursachten Krise von Liz Truss". Je früher die Premierministerin den Platz räume, desto besser.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Jeremy Hunt ist Kwasi Kwarteng als Finanzminister nachgefolgt.
Versäumisse in Steuerfragen

Neuer britischer Finanzminister räumt Fehler von Truss-Regierung ein

"Es gab Fehler“, sagt Jeremy Hunt an seinem ersten Tag im Amt ein und verweist unter anderem auf die gescheiterte Steuerreform. Er kündigt „einige schwierige Entscheidungen“ an.
Liz Truss opferte Finanzminister Kwasi Kwarteng, um ihren eigenen Kopf nach 38 Tagen als Premierministerin zu retten.
Großbritannien

Der Überlebenskampf der Liz Truss

Die Premierministerin steht in ihrem zweiten Amtsmonat mit dem Rücken zur Wand. Am Freitag feuerte sie deshalb ihren Finanzminister und verwarf die Steuerpläne.
Der britische Finanzminister Kwasi Kwarteng ist zurückgetreten.
Unter Druck

Britischer Finanzminister Kwarteng tritt zurück, Jeremy Hunt übernimmt

Für seine inzwischen teils abgesagten Steuerpläne war der britische Finanzminister Kwasi Kwarteng zuletzt immer stärker unter Druck geraten. Nachfolgen soll ihm der frühere Außenminister Jeremy Hunt.
BRITAIN-POLITICS-ENERGY
Großbritannien

Drastische Kursänderung in London

Der britische Schatzkanzler Kwasi Kwarteng hat eine Steuersenkung für Reiche abgeblasen. Aber die Probleme für ihn und seine Chefin Liz Truss dürften noch nicht vorbei sein.
Finanzminister Karteng muss seine Kehrtwende erklären.
Großbritannien

"Demütigendste Entscheidung": Truss nach Steuer-Kehrtwende erheblich beschädigt

Finanzmininster Kwasi Karteng gibt sich einsichtig, nachdem der Pfund-Kurs in den Keller gerauscht war und der parteiinterne Druck zugenommen hatte: "Wir haben es verstanden, wir haben zugehört.“ Noch dürfte er im Amt bleiben.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.