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AKW-Laufzeit: Olaf Scholz spricht ein umstrittenes Machtwort

Olaf Scholz trifft eine Entscheidung im Streit um deutsche AKWs.
Olaf Scholz trifft eine Entscheidung im Streit um deutsche AKWs.REUTERS
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Deutschlands Kanzler Olaf Scholz ordnet das Ende des AKW-Streits an. Die Grünen müssen damit leben, drei Atomkraftwerke in den Streckbetrieb zu schicken.

Berlin. Am Montagabend wurde ein Brief an die Journalisten der deutschen Hauptstadt verschickt. Auf drei Zeilen stand die Lösung, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für ein Problem gefunden hat, das seine Regierung zu blockieren drohte. „Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31. 12. 2022 hinaus bis längstens zum 15. 4. 2023 zu ermöglichen“, lautete die Zauberformel, auf die die deutsche Bevölkerung lange warten musste.

Das heißt: Die Grünen müssen damit leben, drei Atomkraftwerke in den Streckbetrieb zu schicken. Nicht nur zwei, wie von ihnen gefordert. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) erklärte in der ARD, dass er genau dies könne. Deswegen die Regierung aufs Spiel zu setzen, wäre unverhältnismäßig, meinte er.  Die FDP wiederum rettet in letzter Sekunde das dritte Atomkraftwerk über den Winter. Neue Brennstäbe für einen Betrieb bis ins Jahr 2024 hinein wird es allerdings nicht geben.

In einer ersten Reaktion am Montagabend begrüßte FDP-Parteichef Christian Lindner den von Scholz gefundenen Kompromiss. „Der Bundeskanzler hat nun Klarheit geschaffen“, so Lindner. Beim anderen Regierungspartner, den Grünen, kam die Lösung aus dem Berliner Bundeskanzleramt als Niederlage an. Noch am Freitag hatten sie sich bei ihrem Parteitag in Bonn jene Formel abgesegnet, die Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck seit dem Sommer vor sich herträgt: Keine neuen Brennstäbe, nur zwei Kraftwerke laufen bis April weiter.

„Vom Grundgesetz nicht gedeckt“

Auch die Art und Weise, in der Scholz den Streit geklärt zu haben scheint, stößt einflussreichen Grünen sauer auf. Der Kanzler bezieht sich auf seine aus Grundgesetz und Geschäftsordnung der Bundesregierung abgeleitete „Richtlinienkompetenz“. Diese erlaubt es ihm, einzelne Ministerien verbindlich anzuweisen – im konkreten Fall jene für Umwelt, Wirtschaft (beide Grüne) und Finanzen (FDP).

Der grüne Atomkraftgegner Jürgen Trittin zweifelte das an. „Mag sein, dass der Brief von der Geschäftsordnung der Bundesregierung gedeckt ist, vom Grundgesetz ist er es nicht“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Montagabend. Schon in der Vergangenheit haben deutsche Kanzler ihre Richtlinienkompetenz genutzt – andere sahen davon ab. Jedenfalls hält der Brief fest: Ohne Scholz' Machtwort hätten Grüne und FDP nicht mehr zu einer Lösung gefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2022)

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