Debatte

Ist der blutige Stierkampf eine holde Kunst?

Ein politisches Scharmützel ruft es in Erinnerung: In Spanien ist die Corrida als Kulturgut geschützt. Der französische Philosoph Francis Wolff verteidigt das Spektakel als Kunstform. Ein Versuch zu verstehen – ohne gleich rot zu sehen.

Eine kurze Meldung, die nachdenklich macht: Eine Gemeinde auf Mallorca wollte den Stierkampf verbieten, und das wurde ihr vorige Woche gerichtlich verboten – weil diese Tradition in Spanien seit 2013 als immaterielles Kulturerbe geschützt ist. Tatsächlich ist das Thema beim Kulturministerium angesiedelt, in der Sektion der „Bellas Artes“, der schönen Künste. Wie das Theater wird auch die Tauromachie kräftig subventioniert. Und wer online die Kulturressorts der führenden Zeitungen anklickt, stößt alsbald auf Hörner und rote Tücher. Bei wichtigen „Ferias“ sind über die Hälfte aller Artikel Rezensionen von Auftritten der Toreros, auch in der linksliberalen „El País“. Das öffentliche Töten von Tieren als Kulturgut, gar als Kunst? Spinnen die Spanier?

Auf den befremdeten Blick von außen wies schon 1852 eine Schriftstellerin ihre Landsleute hin: „Wie erstaunt wären die Aficionados, wenn sie wüssten, dass die aufgeklärten Deutschen uns den Stierkampf in einem Atemzug mit der Inquisition vorwerfen“, schrieb Fernán Caballero, die sich nur mit männlichem Pseudonym Gehör verschaffen konnte. In der Kritik stand die Corrida, seit sie in heutiger Form im 18. Jahrhundert entstand – freilich vor allem von der katholischen Kirche, die es für verwerflich hielt, dass Menschen im Kampf mit Tieren ihr Leben riskieren. Vielen Intellektuellen erschien das blutige Spektakel als Indiz der geistigen Rückständigkeit ihrer Nation, so wie die (bis heute virulente) Leidenschaft für Lotterien. Aber die Stimmung drehte sich, etwa mit Picasso und Federico García Lorca, der vom „kultiviertesten aller Feste“ sprach. Und Kulturbotschafter Hemingway trug die morbide Faszination in die Welt hinaus.

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