Morgenglosse

Jetzt steht der soziale Friede auf dem Spiel

ÖGB-Chef Wolfgang Katzian bei der Demo im September.
ÖGB-Chef Wolfgang Katzian bei der Demo im September.Apa/Photonews.at/George Schneider
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Die Aufgabe der Sozialpartner ist es, den sozialen Ausgleich zu suchen. Am besten am Verhandlungstisch.

Wenn sich die SPÖ um die steigenden Staatsschulden sorgt und der Wirtschaftsminister sich in die Lohnverhandlungen einmischt, ist klar: Österreich befindet sich im Ausnahmezustand. Nun stocken die Lohnverhandlungen der Metaller, weil die Arbeitgeber die Forderung der Gewerkschaft nach einer saftigen Lohnerhöhung um 10,6 Prozent mit einem mickrigen Angebot von 4,1 Prozent beantworteten. Ab Mittwoch finden österreichweit Betriebsversammlungen statt, die Arbeit wird stundenweise unterbrochen. Soweit, so normal - das ist das bekannte Prozedere in der symbolisch aufgeladenen Metaller-Lohnrunde.  

Weniger nachvollziehbar ist, dass der ÖGB bereits im September zu  österreichweiten Demonstrationen aufgerufen hat. Mit dem Argument, dass die Regierung zu wenig tue, um die Inflation zu bekämpfen. Doppelte Familienbeihilfe, doppelter Klimabonus, die lang geforderte Abschaffung der Kalten Progression - geschenkt. Geht es da tatsächlich um gerechte Lohnabschlüsse - oder gar um einen Regierungswechsel?

Mit teils verstörendem Vokabular wurde auf der Demo Stimmung gemacht: “Haut euch über die Häuser”, richtete ÖGB-Boss Katzian jenen aus, die Lohnzurückhaltung forderten.  “Vollkoffer-Mentalität” warf Younion-Gewerkschafter Christian Meidlinger dem Fiskalrats-Präsidenten Christoph Badelt vor, der die Vollkasko-Mentalität in der Krise kritisiert hatte. Ein unangenehm rauer Ton in der ohnehin krisengebeutelten Republik Österreich, wo doch Kompromissfähigkeit das Gebot der Stunde wäre. 

Nun kann man der Regierung vorwerfen, zu viel Geld zu wenig fokussiert zu verteilen. Dass zu wenig unterstützt wird, ist angesichts der milliardenschweren Entlastungsmaßnahmen aber eher schwer zu argumentieren. 

»Stimmungen zu verstärken, die in der Bevölkerung da sind - das nennt man Populismus. Und das ist nicht die Aufgabe von Gewerkschaften. «

Fiskalrat-Chef Christoph Badelt beantworte die “Vollkoffer”-Vorwürfe dann in einem Ö1-Interview. Er fürchte politische Radikalisierung als Folge der hohen Inflation, sagte er auch in Richtung ÖGB - und zog sogar Vergleiche zu den 1930er-Jahren. Er halte es für bedenklich, Stimmungen zu verstärken, die in der Bevölkerung teilweise da seien. 

Stimmungen zu verstärken, die in der Bevölkerung da sind - das nennt man Populismus. Und das ist nicht die Aufgabe von Gewerkschaften. Ihre Aufgabe ist es, den sozialen Ausgleich zu suchen, und das möglichst am Verhandlungstisch. Gerne mit Betriebsversammlungen und Warnstreiks, wie sie das Protokoll der Lohnrunde vorsieht. Aber nicht mit Straßen-Protesten und rüden Beschimpfungen.  

Und heuer am besten auch ohne großen Streik. Denn die Beschäftigten haben mehr davon, wenn rasch ein vertretbarer Lohnabschluss gefunden wird, als wenn Österreich mit einem Generalstreik in die nächste Krise gestürzt wird. Und das sollten sich übrigens auch die Arbeitgeber zu Herzen nehmen. 

Mitreden: 10,6 Prozent mehr Gehalt: Überzogen, unvernünftig – oder gerecht?

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