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Habeck kann mit Atom-Machtwort des Kanzlers "gut leben"

Robert Habeck muss den Kompromiss in der Regierung mittragen.
Robert Habeck muss den Kompromiss in der Regierung mittragen.REUTERS
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Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) akzeptiert das Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz. Aber nicht alle in der Partei nehmen die Entscheidung, drei AKW vorerst weiterlaufen zu lassen, gelassen hin.

In der ARD sprach der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Montagabend über das Machtwort des Kanzlers in Bezug auf Atomkraftwerke von einer "unüblichen Lösung einer verfahrenen Situation", für die Scholz die "maximale Autorität" eingesetzt habe. "Mit der Richtlinienkompetenz des Kanzlers wurde heute ein Weg gezeigt, wie wir da rauskommen", sagte Habeck. "Und das ist ein Weg, mit dem ich gut arbeiten und leben kann."

Scholz hatte zuvor im vor allem von Grünen und FDP geführten Streit angeordnet, dass die Grundlage für einen Weiterbetrieb aller drei Atomkraftwerke bis längstens zum 15. April 2023 geschaffen werden soll. Die Grünen wollten das AKW Emsland wie derzeit gesetzlich geregelt Ende des Jahres auslaufen lassen. Die FDP hatte dagegen gefordert, alle drei AKW mindestens bis zum Frühjahr 2024 laufen zu lassen.

„Regierung aufs Spiel zu setzen“ nicht verhältnismäßig

Die Atomkraftwerke könnten laut einem von Habeck beauftragten zweiten Stresstest für das Stromnetz im Winter einen kleinen Beitrag leisten, das Netz zu stabilisieren. Der Grünen-Politiker hatte aber entschieden, dass dafür nur die beiden süddeutschen AKW Isar II und Neckarwestheim II bis Mitte April 2023 benötigt würden. Ein Bundesparteitag der Grünen hatte am Freitag diese Linie unterstrichen. In dem Beschluss hieß es auch: "Das AKW Emsland wird zum 1. Januar 2023 endgültig abgeschaltet und zurückgebaut."

Habeck erwartet dennoch, dass auch die Grünen-Fraktion die nach der Kanzler-Entscheidung erforderlichen Gesetzesänderungen mitträgt. Deutschland und Europa befänden sich in einer schweren Krise. "Und in dieser Situation dann die Regierung aufs Spiel zu setzen, scheint mir überhaupt nicht verhältnismäßig zu sein", sagte Habeck. "Es ist zuviel Zeit verstrichen, und deswegen ist es gut, dass heute jetzt mal gesagt wurde, wie sich die SPD positioniert und mit dem Kanzler an der Spitze." Auf die Frage, welchen Eindruck der Streit bei der Bevölkerung hinterlassen habe, sagte Habeck: "Wahrscheinlich keinen guten, und genützt hat es auch nichts."

Kritik von Grünen und Umweltverbänden

Der grüne Parteichef Omid Nouripour betonte im rbb24 Inforadio am Dienstag, die Grünen hielten zwar nichts davon, neben den beiden süddeutschen AKW auch das AKW Emsland weiter laufen zu lassen, "auch weil wir sehen, dass das fachlich nichts bringt, weil wir sehen, dass das kein Beitrag zur Energieversorgung in Deutschland ist." Das Atomkraftwerk liege im Energieüberschuss-Land Niedersachsen, wo die erneuerbaren Energien gut ausgebaut seien. Aber: "Ich glaube, dass das Ergebnis unter dem Strich etwas ist, was auch vorm Respekt vor der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, dann entsprechend so sein wird." Die Grünen-Bundestagsfraktion soll den Kompromiss mittragen, erklärte auch Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag in Berlin. Damit sei klar, dass der Atomausstieg Mitte April 2023 verbindlich komme. Neue Brennelemente würden nicht mehr angeschafft. "Das ist gut und wichtig."

Kritischer sahen dies der frühere deutsche Umweltminister Jürgen Trittin und die Grünen in Niedersachsen. Die Entscheidung sei "politisch außerordentlich fragwürdig", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Trittin dem ZDF. "Das wird glaube ich noch eine ganz schwierige Operation." Die Niedersachsener Grünen bezeichneten das Vorgehen des Kanzlers als "in hohem Maße irritierend".

Der Umweltverband BUND bezeichnete das "Machtwort" als Symbolpolitik. "Die Kanzler-Entscheidung wirkt nur auf den ersten Blick wie eine notwendige Rettungsaktion für den anstehenden Winter", sagte Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND, am Dienstag. In Wahrheit habe der Kanzler seine Richtlinienkompetenz aber nutzen müssen, um den Koalitionspartner FDP auf Linie zu bringen.

Lob von Energieunternehmen

Die deutsche Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller begrüßte den Vorstoß dagegen. "Das ist insgesamt ein kluger Kompromiss für die Versorgungssicherheit", sagte er. Alle Kraft müsse jetzt auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Netzausbau gerichtet werden.

Auch die E.ON-Tochter PreussenElektra begrüßte die AKW-Entscheidung. Der Betreiber des AKW Isar 2 in Bayern will die Vorbereitungen auf einen Weiterbetrieb fortsetzen und treibt die Wartungspläne für den Meiler Isar 2 voran. Der Energiekonzern EnBW hält einen Weiterbetrieb seines AKW Neckarwestheim 2 für möglich. "Rein technisch betrachtet kann mit den in der Anlage Neckarwestheim 2 insgesamt vorhandenen, teilverbrauchten Brennelementen auch nach dem 31. Dezember 2022 Strom produziert werden", erklärte der Konzern am Dienstag.

(APA/DPA)

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