Modebranche

Dokumentation deckt Missstände bei Onlinehändler Shein auf

Missstände in der Produktion: Online-Händler Shein ist mit Vorwürfen konfrontiert.
Missstände in der Produktion: Online-Händler Shein ist mit Vorwürfen konfrontiert.(c) 2022 Getty Images
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In Produktionsstätten des erfolgreichen Online-Modehändler Sheins kommt es zu unmenschlichen Arbeitsbedingungen, so die Vorwürfe. Das Unternehmen zeigt sich „besorgt“.

In der vom britischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Channel 4 produzierten Aufdeckerdokumentation „Inside the Shein Machine: Untold“ werden schwere Vorwürfe gegenüber dem erfolgreichen chinesischen Onlinehändler Shein erhoben. Journalistin Iman Amrani führt durch die Dokumentation und zeigt unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Fabriken, aber auch unmoralische Verkaufs- und Marketingtaktiken auf. 

Mit einer kürzlichen Bewertung von nahezu 100 Milliarden Dollar ist der 2008 gegründete chinesische Konzern das am schnellsten wachsende Modeunternehmen der Welt. Ein Erfolg, der auf fragwürdigen Praktiken beruht, wie die Dokumentation zeigt.

Untragbare Arbeitsbedingungen und gestohlenes Design

Shein lässt - freilich über ein Netzwerk an Zulieferern - hauptsächlich in China, in der Provinz Guangzhou, produzieren. Eine Reporterin trat für die Dokumentation mit einer versteckten Kamera eine Stelle in einer jener Fabriken an. Die Arbeitsrealität der Angestellten dort beinhaltet 18-stündige Arbeitstage, oft an sieben Tagen hintereinander. Die Näherinnen würden teilweise nach gefertigter Stückanzahl bezahlt werden, und zwar zwischen drei und vier Cent pro Stück. Für Fehler bei der Produktion gebe es Lohnabzug, freie Tage für die Arbeiterinnen seien nicht vorgesehen.

Immer wieder wurden bereits in der Vergangenheit Vorwürfe geäußert, Shein würde die Entwürfe insbesondere junger und kleiner Designer imitieren, diese aber zu einem Bruchteil des Originalpreises verkaufen. Auch in dieser Dokumentation kommt eine Designerin zu Wort, deren handbestickte Unterwäsche von Shein nachgeahmt wurde. Während sie ihr Modell um 65 Pfund verkaufte, konnte man bei Shein ein identisch aussehendes Design um ganze vier Pfund erstehen.

Wie Konsumentinnen geschaffen werden

Ebenfalls Thema der Dokumentation ist, wie der Onlineshop von Shein funktioniert. Zahlreiche psychologische Marketingtricks kommen zum Einsatz, um aus Besucherinnen und Besucher der Webseite zahlende Kundschaft zu machen: Ab einem gewissen Einkaufswert gibt es Gratis-Versand, ein temporärer Rabatt gepaart mit einem ablaufenden Countdown signalisiert eingeschränkte Verfügbarkeit.

Auch Mikro-Influencer, also Social Media Persönlichkeiten mit einer eher kleinen oder mittleren Followerschaft, spielen im Verkaufsmodell von Shein eine Rolle. Sie bewerben das Unternehmen oft im Gegenzug dafür, dass sie die Kleidung gratis zur Verfügung gestellt bekommen. Shein spart sich dadurch hohe Werbekosten.

Shein „extrem besorgt“ 

Das Unternehmen selbst hat sich mittlerweile zu den Vorwürfen, die in der Doku erhoben werden, zu Wort gemeldet. Man sei „extrem besorgt“, die Vorwürfe würden allesamt dem Verhaltenskodex von Shein widersprechen, dem alle Zulieferer des Unternehmens zustimmen müssten.

„Wir werden Partnerschaften mit all jenen, die sich nicht an diesen Kodex halten, aufkündigen“, versprach das Unternehmen in einer Stellungnahme. Derzeit warte man auf genauere Informationen des Fernsehsenders Channel 4, um genau nachvollziehen zu können, wo und in welcher Form Regeln gebrochen wurden.

Eine Änderung der Unternehmenspraxis oder gar der Branche sei durch die Dokumentation aber nicht zu erhoffen, wie die britische Zeitung „The Guardian“ urteilt. „Alle Sweatshop-Aufdeckerdokus funktionieren gleich“, ist dort zu lesen. Missstände würden aufgedeckt, das betroffene Unternehmen verspreche, die Vorwürfe zu untersuchen. „Haben wir so etwas nicht schon alles gesehen, ohne dass sich etwas geändert hat?“ 

Enormer Erfolg mit „Ultra-Fast Fashion“ 

Der Onlinehändler Shein hat in den letzten Jahren eine enorme wirtschaftliche Erfolgsstory hingelegt. Er verkauft modische Alltagskleidung noch einmal deutlich günstiger als seine stationären Konkurrenten H&M, Zara oder Primark. Oft kosten einzelne Stücke nur um die fünf Euro, dafür gibt es täglich etwa 2000 neue Modelle im Online-Shop. Preise, die so niedrig sind, dass es Kundinnen und Kunden egal scheint, Kleidungsstücke nur einmal oder sogar überhaupt nicht zu tragen.

Mehr über Sheins wirtschaftlichen Erfolg:

„Ultra-Fast Fashion“ neun Jahre nach Rana Plaza

Das „Test and Repeat“- Modell des Konzerns, das eine Produktion im großen Stil erst vorsieht, wenn eine kleine Testmenge eines Kleidungsstücks Erfolg hatte, sorgt für Wachstum. Derzeit liegt der Unternehmenswert von Shein bei etwa 100 Milliarden Dollar, das ist mehr als Inditex und H&M zusammen wert sind.

(chrima)

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