Kosovo-Premier: „Dick Marty braucht gute Anwälte“

Kosovo-Premier Thaçi : „Dick Marty braucht gute Anwälte“
Kosovo-Premier Thaçi : „Dick Marty braucht gute Anwälte“Kosovos Regierungschef Hashim Thaçi (c) Reuters (Hazir Reka)
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Kosovos Regierungschef Hashim Thaçi bezeichnet die Vorwürfe, er sei der Chef einer internationalen Organ-Mafia gewesen, im „Presse“-Interview als „Erfindung“ des Europarat-Berichterstatters Dick Marty.

Auf einen Blick

Die Presse: Der Sonderberichterstatter des Europarates, Dick Marty, wirft Ihnen in seinem jüngsten Bericht vor, Sie seien 1999 bis 2000 Kopf einer Organhandel-Mafia im Kosovo gewesen. Was sagen Sie dazu?
Hashim Thaçi: Das ist eine Erfindung. Dick Martys Bericht entbehrt jeder Grundlage und ist ein Anti-Kosovo-Bericht. Er will mit seinen Anschuldigungen zwei unabhängige Staaten in den Schmutz ziehen: Kosovo und Albanien. Und er attackiert auch die USA, die EU-Länder und die UNO für ihre Rolle nach dem Krieg. Das ist ein politischer Bericht, der auf keinerlei Fakten basiert. Ich werde daran arbeiten, dass der Bericht voll überprüft und alles aufgeklärt wird. Und ich rate Dick Marty, dass er ein Team guter Anwälte findet. Marty wird unter keinen Umständen in der Lage sein, der Gerechtigkeit zu entgehen.

Marty beruft sich aber auf Zeugen, auch wenn er diese nicht namentlich nennt. Er schreibt, dass er Hinweise dafür hat, dass gefangenen Serben Organe entnommen wurden. Er schreibt über das sogenannte „gelbe Haus“ in Nordalbanien, in dem die Opfer des Organhandels angeblich festgehalten worden seien, und über einstige Geheimgefängnisse Ihrer Untergrundarmee UÇK in Nordalbanien.
In seinem ganzen Bericht erhebt er Vorwürfe, ohne sie mit konkreten Fakten und Beweisen untermauern zu können. Alle seine Vorwürfe basieren nur auf Hörensagen. Diese Vorwürfe wurden dreimal untersucht: vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, von der UN-Mission im Kosovo und zuletzt von der EU-Mission Eulex. Sie alle haben keine Hinweise darauf gefunden, dass so etwas passiert wäre. Aber ich werde dafür sorgen, dass alles aufgeklärt wird.

Aber warum sollte Dick Marty in seinem Bericht solche Vorwürfe erheben, wenn er keine Beweise hat?
Er tat das aus politischen Gründen: Dick Marty war immer gegen die Freiheit des Kosovo und gegen die Nato-Luftangriffe auf Serbien im Jahr 1999. Und er ist gegen die Unabhängigkeit des Kosovo. Er erhebt diese Vorwürfe, um das Image des Staates Kosovo und aller Albaner in der Region zu beschädigen und um den Prozess der internationalen Anerkennung des Kosovo zu behindern. Und er versucht, der Bildung einer neuen Regierung im Kosovo nach den jüngsten Wahlen Steine in den Weg zu legen.

Können Sie ausschließen, dass diese Dinge, die in dem Bericht vorgeworfen werden, passiert sind? Dass etwa ohne Ihr Wissen Angehörige der UÇK diese Verbrechen begangen haben?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Dinge nie geschehen sind. Und auch Dick Marty weiß das. Aber der Zeitpunkt wird kommen, an dem wir das beweisen werden.

Vor Kurzem ist aber ein anderer Fall illegaler Organtransplantationen aufgeflogen, und zwar in der Medicus-Klinik in Prishtina. Mehrere Personen, darunter kosovarische Ärzte, wurden verhaftet. Das heißt, solche Dinge sind im Kosovo geschehen.
Es gibt hier ein laufendes Verfahren. Ich werde das Justizsystem voll unterstützen, damit das aufgeklärt wird. Ich will nicht, dass irgendjemand den juristischen Prozess politisch unter Druck setzt. Kosovos Rechts- und Sicherheitsorgane haben in diesem Fall erstklassige Arbeit geleistet.

Haben Sie nicht Sorge, dass die jüngsten Anschuldigungen gegen Sie die geplanten Gespräche mit Serbien nun gefährden könnten?
Wir werden die Gespräche wie geplant abhalten. Ich bin gerne bereit, Serbiens Präsidenten Boris Tadić zu treffen.

Und er ist nach wie vor bereit, Sie zu treffen?
Er hat – nach der Veröffentlichung des Berichts von Marty – gemeint, dass er bereit sei, mich zu treffen.

Nach den jüngsten Parlamentswahlen, die Sie gewonnen haben, gab es auch Vorwürfe des Wahlbetrugs – und zwar in Gemeinden wie Skënderaj, die zu Ihren Hochburgen zählt.

Es gab einige Vorwürfe von isolierten Unregelmäßigkeiten während der Wahl. Ich selbst habe deshalb gefordert, in diesen Gemeinden die Wahlen zu annullieren und erneut durchzuführen. Die Zentrale Wahlkommission hat entschieden, dass es in einigen dieser Gegenden eine neue Abstimmung im Jänner geben wird.

Die Oppositionsparteien scheinen das Wahlergebnis aber trotzdem nicht anzuerkennen. Denken Sie, es reicht für diese Parteien, dass die Wahl nur in einigen Regionen wiederholt wird?
Jeder wird die Realitäten anerkennen. Die Zentrale Wahlkommission und die Beschwerdestelle haben ihre Entscheidungen bekannt gegeben. Niemand kann gegen den Willen der Menschen arbeiten. Ich konzentriere mich jetzt darauf, eine neue Regierung auf die Beine zu stellen. Damit werde ich kommenden Jänner fertig sein.

Und wen werden Sie einladen, an der Regierung teilzunehmen?
Ich bin in der Endphase der Diskussionen mit meinen künftigen Partnern. Jetzt arbeiten wir daran, unser gemeinsames Regierungsprogramm zu erstellen. Meine konkreten Entscheidungen werde ich aber erst in der nächsten Zukunft bekannt geben.

Kosovos Premier Hashim Thaçi soll während des Kosovo-Kriegs und knapp danachKopf einer Organhandel-Mafia gewesen sein. Das schreibt der Europarat-Berichterstatter Dick Marty in seinem Untersuchungsbericht. Kämpfer der kosovo-albanischen Untergrundarmee UÇK unter Thaçi hätten Gefangene ermordet und deren Organe verkauft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22. Dezember 2010)

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