Proteste in Weißrussland: Reporter in Haft

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Nach der Präsidentenwahl in Weißrussland verschärft sich immer mehr die Lage für Journalisten im Land. Auch zwei Österreicher waren von den gewaltsamen Protesten betroffen und wurden von der Polizei verletzt.

Christoph Lehermayr und Heinz Tesarek sitzen am Dienstagnachmittag im Taxi, das sie vom Flughafen Schwechat ins Wiener Stadtzentrum bringt, und klingen erleichtert. „Das, was uns passiert ist, ist eine Bagatelle im Vergleich zu dem, was viele Journalisten jetzt noch durchmachen“, sagt Lehermayr. Er und der Fotograf Tesarek waren seit der Vorwoche in Weißrussland, um für das Magazin „News“ von den Präsidentenwahlen zu berichten – und sie waren am Sonntagabend auch bei den Protestkundgebungen auf dem Oktober- und dem Freiheitsplatz, als die Situation in der Hauptstadt Minsk eskalierte.

Durch einen Zufall kamen die beiden österreichischen Reporter, die Russisch sprechen, ins Zentrum des Handgemenges zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, Tesarek wurde der Zeigefinger der rechten Hand gebrochen, seine Kamera demoliert. Die Angriffe der Spezialeinheiten der weißrussischen Polizei seien keineswegs gezielt auf Journalisten gerichtet gewesen, sagt Lehermayr. Die Männer in schwarzer Uniform hätten vielmehr „auf alles eingeprügelt, was an diesem Abend in der Stadt war“. Auch Passanten, darunter zum Teil alte Menschen, seien mit Schlagstöcken angegriffen worden. Auslöser der gewalttätigen Auseinandersetzung war ein kleines Grüppchen von Männern, das versucht hatte, Fensterscheiben des Präsidentenpalasts einzuschlagen. „Das war natürlich Anlass genug für die Polizei, mit Gewalt zurückzuschlagen“, sagt Lehermayr.

Das harte Auftreten der Staatsgewalt erklärt sich die 26-jährige Fotoreporterin und Bloggerin Ksenia Awimova vor allem damit, dass der wiedergewählte Präsident Alexander Lukaschenko große Angst vor einem Volksaufstand hat. Awimova war am Sonntag zwar nicht selbst in der Stadt, konnte die Ausmaße der staatlichen Kontrolle aber auf andere Weise spüren: „Das Internet war zwischen 16 Uhr und Mitternacht weitgehend gesperrt“, erzählt sie. Manche Seiten, wie Facebook und Twitter, waren gesperrt, es gab keine Möglichkeit, E-Mails zu verschicken. So sollte verhindert werden, dass sich noch mehr Demonstranten auf den Weg in die Stadt machen. Awimova kennt einige Journalisten, die Sonntagabend verhaftet wurden und zehn Tage in Haft bleiben müssen.

Für besonderes Aufsehen hat die Verhaftung der bekannten Reporterin Irina Chalip gesorgt. Sie schreibt für die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ und ist Ehefrau des Oppositionskandidaten Andrej Sannikau. Sie berichtete Sonntagabend live von den Ausschreitungen für den russischen Radiosender Echo Moskwy, während sie plötzlich selbst abgeführt wurde. „Die Polizei schlägt mich“, rief sie, bevor der Kontakt zum Sender abbrach. Sie sitzt noch immer im Gefängnis.

Russischer Reporter im Hungerstreik

Und noch ein russischer Reporter befindet sich in Haft: Alexander Astafjew, Fotoreporter der Petersburger Zeitung „Moj rajon“, befand sich angeblich als Privatperson in Minsk und wurde während der Demo verhaftet. „Die Polizei verfährt mit den Festgenommenen wie mit einer Herde Vieh, zumindest wie mit Feinden“, schrieb er in einem SMS, das russische Medien am Dienstag publizierten. Er selbst sei in Hungerstreik getreten, um ein Treffen mit den russischen Vertretungsbehörden in Weißrussland zu erzwingen.

Ksenia Awimova ist besorgt, dass die Zeiten für kritische Journalisten nun härter werden, hofft aber, dass sich die Lage bald wieder beruhigt. Auch wenn die Repressionen am Sonntag nicht nur gegen Journalisten gerichtet waren, war eine Aktion auffallend: Sicherheitskräfte drängten eine Gruppe Journalisten, darunter auch der „Presse“-Korrespondent, mit Fußtritten und den lautstarken Rufen „Uhodite domoj“ („Geht nach Hause“) in den Eingang des „Hotel Minsk“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2010)

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