Lange Nacht des Budgets - Neue Schulden am Morgen

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Die Nationalratssitzung endet erst frühmorgens um 4.17 Uhr. Ein tumultreicher 18-Stunden-Tag. Bei den Koalitionsparteien kommt es zu einer Abstimmungspanne. Der Bundespräsident ist für eine Erbschaftssteuer aus.

Wien. Gegen zwei Uhr Früh konnte Maria Fekter ihre Augen nicht mehr offen halten. Einsam saß die Innenministerin auf der Regierungsbank im Parlament, den Ellbogen auf die Bank gestützt, und ließ den Kopf in die Hand sinken (innen hielt sie noch den Kugelschreiber fest). Dann nickte sie kurz ein. Dass sich der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz einige Meter vor ihr gerade über die Einsparungen im Innenministerium mokierte, schien Fekter in diesem Moment herzlich egal zu sein.

Es war eine lange Nacht im Parlament, die erst frühmorgens, um 4.17 Uhr, zu Ende gehen sollte – nach einem 18-Stunden-Tag, der an Tumulten nicht eben arm gewesen war. Das Budgetbegleitgesetz, in dem das Sparpaket festgeschrieben ist, wurde erst gegen 23.30 Uhr mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen. Davor war fast fünfeinhalb Stunden lang über die Abänderungsanträge der Opposition namentlich abgestimmt worden.

„Aussetzer“ von SPÖ und ÖVP

Dass es doch noch eine kleine Adaptierung gab, verdankte die Opposition einem – nennen wir es – Aussetzer der Koalitionsparteien. Denn die Abgeordneten der SPÖ und ein Großteil der ÖVP stimmten gegen das Vorhaben der Regierung, die Heeresforste in Allentsteig an die Bundesforste auszugliedern. Das Groteske daran: Günter Stummvoll, der sich wochenlang gegen diese Maßnahme gewehrt hatte, war am Ende einer jener sechs ÖVP-Mandatare, die dafür stimmten.

Die eigentliche Budgetdebatte, in der die ersten fünf Kapitel filetiert wurden, begann erst nach Mitternacht, wobei die Belegschaft kontinuierlich kleiner wurde. Beim Thema Inneres kamen die Emotionen ein letztes Mal hoch. Doch da war die Ressortchefin noch hellwach: Es müsse mit dem Vollmond zu tun haben, wenn FPÖ und BZÖ meinten, dass die Kriminalität gestiegen sei, polterte Fekter.

Als die Sitzung am nächsten Morgen fortgesetzt wurde, begann sich das Plenum erst allmählich zu füllen. Die Kritik an Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) war deshalb nicht leiser. In seiner Replik wurde es dem Minister dann zwischenzeitlich zu bunt. Der FPÖ, die ihm die Arbeitsmarktöffnung mit 1.Mai 2011 vorgeworfen hatte, entgegnete er: „Ich bin nicht in der Regierung gehockt, als das beschlossen wurde. Das waren Sie!“

Im Anschluss wurden die Ressorts Gesundheit, Unterricht, Wissenschaft und Infrastruktur debattiert. Das Finale folgt heute, Mittwoch, unter anderem mit den Kapiteln Familie und Finanzen. Dann wird das Budget 2011 abgesegnet.

Spitalsminus wird Staatsschuld

Doch die nächste Hiobsbotschaft war Dienstagmorgen eingetroffen: Nach dem Desaster um Griechenland müssen die EU-Staaten ihre Schulden künftig detaillierter darstellen. Mit der Folge, dass Österreich die Spitalsschulden der Länder in das gesamtstaatliche Defizit einrechnen muss. Dadurch werde sich der Schuldenstand mit der nächsten Notifikation im März „um etwa einen Prozentpunkt des BIPs erhöhen“, kündigte Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer im Ö1-„Morgenjournal“ an.

Via „News“ schaltete sich dann auch der Bundespräsident in die Debatte ein: Hinsichtlich des Budgets 2012 erscheine ihm „eine Diskussion über Erbschafts- und Vermögenssteuer mindestens so gerechtfertigt wie eine über Studiengebühren“, sagte Heinz Fischer. Die ÖVP reagierte verschnupft.

Die gute Nachricht des Tages für die Regierung: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft stellte ein Verfahren wegen Amtsmissbrauchs gegen Kanzler Werner Faymann und Finanzminister Josef Pröll ein. Der Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender hatte eine Anzeige eingebracht. Genau: wegen des verspäteten Budgetentwurfs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2010)

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