Interview

Börse-Chef: "Das Geld unter der Matratze wird weniger wert"

Christoph Boschan
Christoph Boschan(c) Jana Madzigon
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Christoph Boschan, der Chef der Wiener Börse, erklärt im Interview, wie man trotz geringen Studentenbudgets klug investiert.

Die Presse: Studenten haben ein vergleichsweise geringes Einkommen, zudem steigen die Preise stark an. Ein schlechter Zeitpunkt, um an Vorsorge zu denken?

Christoph Boschan: Lösen Sie sich von allen Fragen des richtigen Zeitpunkts, der richtigen Marktauswahl, der richtigen Einzelaktienauswahl! Es ist immer Zeit, sparend zu investieren. Klar, man muss die finanziellen Spielräume haben. Aber Inflation bedeutet ja auch, dass das Geld an Kaufkraft verliert, wenn es nicht verzinst angelegt ist. Das Geld unter der Matratze wird über die Zeit immer weniger Wert.

Ab welchen Beträgen lohnt es sich, Geld an der Börse zu investieren? 

Die Investition in die eigene Karriere ist das weitaus beste Investment. Aber sparend investieren ist etwas, das begleitend einsetzen sollte, ich propagiere das sogar von Geburt an. Man muss sich das achte Weltwunder erarbeiten: den Zinseszins. Beim Aktiensparen ist das die reinvestierte Dividende. Wenn Sie ein lebensbegleitendes monatliches Aktiensparen von beispielsweise 50 Euro nehmen und die durchschnittliche 100-jährige Aktienrendite von inflationsbereinigt, ganz wichtig! 5,5 Prozent eingeben, sehen Sie, wie das brutal skaliert. Bei 50 Euro im Monat bis Pensionsantritt haben Sie am Ende mehrere Hunderttausend Euro angespart.

50 Euro sind für Studenten nicht nichts.

Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass der Staat Anreize für langfristiges Investment bietet, um mehr Spielräume zu schaffen. Aber ich bestehe darauf, dass fast jeder die finanziellen Spielräume hat, 25 oder 50 Euro im Monat oder zumindest im Quartal zu sparen. Es kommt darauf an, auf welchen Konsum man zu verzichten bereit ist. Je früher man anfängt, desto größer der Zinseszinseffekt bis zum Pensionsantritt.

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Die durchschnittliche Finanzbildung in Österreich könnte besser sein. Wie wählt man einen Fonds aus, wenn man noch keine Erfahrungen mit Aktien gemacht hat?

Sie sollten langfristig orientiert sein und sich von der Frage lösen, was Sie zu welchem Zeitpunkt kaufen und zu welchem Zeitpunkt Sie Ihre Aktien wieder verkaufen. Wenn Sie anfangen, Branchen, Regionen, Einzelaktien auszuwählen, spekulieren Sie. Wenn Sie sparend investieren, wollen Sie die sogenannte systemische Rendite abgreifen. Und das tun Sie, indem Sie einen Fonds auswählen, der möglichst breit gestreut die Weltwirtschaft abbildet.

Das erleichtert die Sache nur bedingt, von solchen Fonds gibt es nämlich unzählige.

Am besten geeignet sind sogenannte ETFs. Das sind passive Aktienfonds, die einen bestimmten Index abbilden, zum Beispiel eben einen Weltindex. Wichtig ist aber, dass Sie sowohl bei der Fondsauswahl als auch bei der Wahl eines Brokers auf die Gebühren achten. Gerade bei kleinen Summen, die Sie monatlich auf die Seite legen, summieren sich die Gebühren über die Jahre auf beträchtliche Summen.

Sie sagen also, dass Investieren an der Börse ganz ohne Spekulation geht?

Man muss den Unterschied zwischen einer Wette, einer Spekulation und einer Investition verstehen. Bei einer Wette entscheidet der Zufall, ob Sie gewinnen. Bei der Spekulation hat man sich überlegt, wie sich bestimmte Aktien aus welchen Gründen entwickeln könnten. Man zieht Schlüsse aus seinen Beobachtungen, aber beherrscht als durchschnittlicher Anleger nicht die volle Komplexität des Marktes. Wetten und Spekulation bedeuten hohes Risiko. Nichts daran ist verwerflich. Jeder soll mit seinem Geld machen, was er will. Dazu gehört zu entscheiden, welches Risiko man eingehen will. Aber ich glaube nicht, dass Wetten und Spekulation das richtige Rezept für die breite Bevölkerung sind.

Aber berühmt sind vor allem die Börsengurus, die mit ihren Wetten und Spekulationen reich geworden sind.

Über den Opa, der mit 98 Jahren noch eine Zigarette nach der anderen raucht, spricht jeder. Von all den anderen, die mit 75 gestorben sind, redet keiner. Das ist beim Finanzmarkt genauso. Die Investition fragt immer: Was lege ich heute an Geld an, damit später Geld an mich zurückfließt? Warren Buffet und Charlie Munger machen nichts anderes.

Für viele Kleinanleger ist es stressig, dem Aktiendepot bei seinen ständigen Kursschwankungen zuzusehen.

Tagesschwankungen gehören dazu. Man muss nicht versuchen, jede Bewegung zu verstehen. Die Börse ist ein sehr risikoehrliches Produkt, sie macht Schwankungen sichtbar. Würden Immobilienpreise minutiös festgestellt, hätten wir genauso Preisschwankungen. Wer langfristig an der Börse investiert, muss sich um solche Kursschwankungen nicht kümmern.

Würden Sie empfehlen, per Sparplan zu investieren?

Ein Sparplan bedeutet, dass Sie regelmäßig einen bestimmten Betrag in Ihren Aktienfonds stecken, zum Beispiel immer per Monatsanfang. Das hilft psychologisch ungemein. Wenn die Kurse durch die Decke gehen, freuen Sie sich, dass Sie investiert sind. Wenn die Kurse fallen, freuen Sie sich, dass Sie günstiger nachkaufen. Der Sparplan senkt das Risiko. Aber man darf natürlich nicht vergessen, dass er dadurch auch die Rendite senkt.

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