Werdegang auf der Uni

(K)eine Sinnkrise bei der Studienwahl

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In Zeiten der Verunsicherung kommen Zweifel an der Studienwahl auf. Ist der Wunsch nach finanzieller Sicherheit ein guter Grund umzusatteln?

Äußere Einflüsse bei der Studienwahl gibt es immer: seien es die Eltern, die von der ersten Juristin in der Familie träumen; der beste Freund, der auch an der WU studiert oder die Lehrerin, die nichts vom Publizistikstudium hält. Für Studienanfängerinnen und -anfänger ist es oft schwer, schlagende Argumente von persönlichen Präferenzen zu differenzieren. Auch während des Studiums können neue Zweifel hinzukommen. Besonders schwer wird das Ganze, wenn sich finanzielle Faktoren dazugesellen.

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In Zeiten globaler Unsicherheit nehmen die ökonomischen Überlegungen für viele Studierende sowie Maturantinnen und Maturanten nie da gewesene Dimensionen an. Eine aktuelle Studie des Instituts für Jugendkulturforschung hat ergeben: Der Mehrheit der jungen Menschen in Österreich (57 Prozent) ist ein sicherer Arbeitsplatz in den heutigen Zeiten wichtiger als individuelle Aufstiegschancen. Lediglich 16 Prozent der Befragten entscheiden sich für die Karriere, 27 Prozent sind unentschlossen. Aber was braucht es, damit die Chancen auf Beschäftigung nach dem Studium steigen?

Karrierechancen unterschiedlich

Für einen sicheren Arbeitsplatz in Österreich scheint ein Universitätsstudium auf den ersten Blick nicht die schlechteste Wahl. Je höher der Bildungsstand, desto höher die Chancen auf Beschäftigung und auch auf ein besseres Einkommen. Im Vergleich zu 2021 ist die Zahl der arbeitslosen Akademikerinnen und Akademiker 2022 laut AMS um fast 12 Prozent gesunken, im Vorjahr waren es sogar mehr als 15 Prozent. Die besten Aussichten auf eine Karriere haben laut einer aktuellen OECD-Studie Medizin-, Informatik- und Technikabsolventen.

Weniger rosig sieht es allerdings traditionell für Absolventinnen und Absolventen der Geistes-, Kultur-, Kommunikations- und Sozialwissenschaften aus. Zwischen den Fächergruppen gibt es erhebliche Einkommensunterschiede, aber mancherorts wie etwa beim Lehramt werden zumindest dringend Kräfte gesucht. Ist das in den heutigen Zeiten ein Argument umzusatteln?

"Wer sich primär aus ökonomischen Gründen für ein Studium entscheidet, hat später vielleicht keine Existenzsorgen, dafür aber notwendigerweise irgendwann mal die unvermeidliche Sinnkrise", meint Bernhard Heinzlmaier, Sozialwissenschaftler und Mitbegründer des Instituts für Jugend- und Kulturforschung. Genau andersherum verhalte es sich, wenn man den eigenen Idealen folgt. Heinzlmaier geht aber davon aus, dass "der arbeitslose Literaturwissenschaftler glücklicher ist als der gestresste Rechtsanwalt". Wobei er die Aussage selbst sofort einschränkt. Denn nicht jeder kann sich das leisten. "Sicherheit gibt es nur für junge Menschen aus privilegierten Milieus."

Es gebe aber auch Studienrichtungen, bei denen sich gute Zukunftschancen und persönliches Interesse verbinden lassen.
Auch laut Arbeitsmarktexpertin Sabine Putz vom AMS ist es keine gute Idee, sich nur wegen der Berufsaussichten für einen bestimmten Karrierepfad zu entscheiden. "Wenn die Anforderungen nicht zur eigenen Persönlichkeit passen, kann das zu Überlastungen führen", gibt die Expertin zu bedenken. Gerade in psychisch oder physisch fordernden Bereichen sei das essenziell. "Wer für sein Thema Leidenschaft, Energie und Engagement mitbringt, kann auch in einem ,exotischen Fach oder einem stark überlaufenen Studium reüssieren", hält Putz fest. Ökonomische Faktoren sollten der Expertin zufolge bei der Berufswahl reflektiert werden, aber nicht das einzig Ausschlaggebende sein.

Berufswahl aus Vernunft

Welchen Stellenwert Geld in Zeiten der Verunsicherung aber hat, geht aus der Studie des Instituts für Jugendkulturforschung deutlich hervor. Die "gute Bezahlung" ist mit 59 Prozent Zustimmung für viele nach wie vor die wichtigste Komponente bei der Berufswahl. Dicht gefolgt von "gutem Arbeitsklima" (52 Prozent) und einem "sicheren Arbeitsplatz" (52 Prozent). Aber auch "genügend Freizeit neben dem Beruf" (46 Prozent) ist bei den 16- bis 29-Jährigen auf den vierten Platz vorgerückt.

»"Wer sich primär aus ökonomischen Gründen für ein Studium entscheidet, hat später vielleicht keine
Existenzsorgen, dafür aber notwendigerweise irgendwann mal die unvermeidliche Sinnkrise." «



Dass eine aussichtsreiche Berufswahl nicht gleich finanzielle Sicherheit bedeutet, gibt Katja Goebel, Unternehmensberaterin und Coach bei "5P Consulting", zu bedenken: Der Mensch strebe von Natur aus nach Sicherheit das mache ihn erfolgreich, aber auch fehleranfällig. Denn: Eine angstgesteuerte Entscheidung führe in den meisten Fällen nicht zum Erfolg. Vielmehr habe eine "Berufswahl aus Vernunft" unwiederbringlich "demotivierte und uninspirierte" Arbeitskräfte zur Folge. Umgekehrt sei "erfüllende Arbeit nie so anstrengend wie reine Pflichterfüllung". Wer die eigenen Stärken erkenne, könne "Außerordentliches leisten" ein Aspekt, der laut Goebel wesentlich sei, um die "aktuellen Herausforderungen" zu bewältigen.

Sicherheitsbedürfnis in der Krise

Geld und Zufriedenheit müssen einander nicht ausschließen. Der Frage, wie sich beides verbinden lässt, widmet sich Keynote-Speaker und Zukunftsforscher Tristan Horx in seinem Buch "Unsere fucking Zukunft". In der Arbeitswelt von heute muss sich einiges verändern und das gehe laut Horx nur mit einer "Rebellion von unten nach oben". Die Generation der "Digital Natives" befände sich mit ihrem Fachwissen rund um soziale Netzwerke, Onlinemarketing und Co. in einer ausgezeichneten Verhandlungsposition.

Wer diese gut zu nutzen wisse, könne Vorteile für sich selbst herausschlagen und langfristige Änderungen im mittleren Management anstoßen, die es für die Zufriedenheit der Jungen dringend brauche.
"Die Apokalypse braucht keine Soziologen", hält Horx fest. Das Sicherheitsbedürfnis, das die Jungen momentan verspüren, ist laut Horx "reine Kapitulation aufgrund der aktuellen Situation". Diese Schleife komme immer wieder und sei nicht von Dauer, ist der Zukunftsforscher überzeugt. Vielmehr sollte bei der Berufswahl eine "individuelle Bedürfnispyramide" herangezogen werden. Dass ein akademischer Abschluss kein Garant für eine erfolgreiche Karriere ist, sollte jedenfalls weiterhin bedacht werden, findet Horx, allerdings: "Wer die Branche gut kennt, hat Vorteile."

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