Luxemburg: EU muss sofort gegen Ungarn vorgehen

Luxemburg: EU muss sofort gegen Ungarn vorgehen
Luxemburg: EU muss sofort gegen Ungarn vorgehenJean Asselborn, Außenminister von Luxenburg, (c) Hopi Media (Lukas Wagner)
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Die verschärften Mediengesetze in Ungarn ernten europaweit Kritik. Berlin sieht rechtsstaatliche Prinzipien in Gefahr, für Luxemburgs Außenminister ist das Land nicht "würdig", die EU-Ratspräsidentschaft zu übernehmen.

Mit seinen verschärften Mediengesetzen hat Ungarn europaweit heftige Kritik auf sich gezogen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sprach Budapest die Eignung für die kommende EU-Ratspräsidentschaft ab, ein Sprecher der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte Ungarn am Mittwoch ungewöhnlich deutlich vor einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien.

"Als künftige europäische Ratspräsidentschaft trägt das Land atürlich eine besondere Verantwortung für das Bild der gesamten Europäischen Union in der Welt", erklärte der deutsche Regierungssprecher Christoph Steegmans am Mittwoch in Berlin. Die Regierung beobachte die Mediengesetzgebung daher mit großer Aufmerksamkeit.

Österreich vertraut auf "Ungarn"

Die österreichische Bundesregierung vertraut indes darauf, "dass Ungarn selbstverständlich die rechtsstaatlichen Prinzipien im Umgang mit den Medien respektiert", sagte Außenministeriumssprecher Peter Launsky-Tieffenthal am Mittwoch. "Als künftige EU-Ratspräsidentschaft trägt Ungarn eine besonderer Verantwortung für das Bild der EU in der Welt", betonte er allerdings auch.

Das Mediengesetz

In der Nacht von Montag auf Dienstag wurde im Budapester Parlament von der rechtsnationalen Mehrheitspartei "Bund Junger Demokraten" (Fidesz) ein umstrittenes Mediengesetz beschlossen. Das neue Gesetz der Regierung des Premiers Viktor Orbán tritt somit ab 1. Jänner - dem Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft - in Kraft. Es kontrolliert nicht nur die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privaten Medien und auch sämtliche Publikationen im Internet. Diese Aufgabe kommt der neuen Medienbehörde NMHH zu, die im Falle eines Verstoßes gegen das Gesetz hohe Geldstrafen verhängen kann, die für einzelne Medien existenzbedrohend werden könnten.

Die EU-Grünen drängen unterdessen auf die Einleitung eines EU-Grundrechtsverfahren gegen Ungarn, auch der luxemburgische Außenminister fordert ungewöhnlich deutlich ein Einschreiten der EU-Kommission. "Sie muss unverzüglich gegen die Pläne vorgehen. Sie verstoßen gegen den Geist und die Worte der EU-Verträge", sagte der Sozialdemokrat im Reuters-Interview. "Es stellt sich die Frage, ob ein solches Land würdig ist, die EU zu führen." Ein Sprecher der EU-Kommission wollte dazu am Mittwoch keinen Kommentar abgeben.

"Direkter Angriff auf die Demokratie

Wenn Ungarn mit diesem Gesetz den EU-Ratsvorsitz übernehme, müsse man wirklich von zweierlei Maß bei den Europäern sprechen, sagte Asselborn weiter. Denn die EU sehe sich bisher zu Recht als weltweite Speerspitze im Kampf für Pressefreiheit. "Dies ist eine direkte Gefahr für die Demokratie. Hier wird die Meinungsbildung unter die Kontrolle des Staates gestellt", kritisierte er.

Ausdrücklich warf Asselborn der ungarischen Führung autoritäre Tendenzen vor: "Bisher galt (der weißrussische Präsident) Lukaschenko als der letzte Diktator in Europa. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, stimmt das nicht mehr ganz", sagte er.

Proteste in Ungarn

Gegen das neue Mediengesetz hatten bereits zu Wochenbeginn auf dem Budapester Freiheitsplatz bei eisiger Kälte rund 1500 Menschen demonstriert. Studenten hatten im Internet zu dieser Protestaktion aufgerufen. Ein Moderator protestierte Dienstag früh in der Morgensendung des öffentlich-rechtlichen Senders "MR1-Kossuth Radio" mit einer Schweigeminute gegen das Mediengesetz. Attila Mong wurde daraufhin zu Radiopräsident Istvan Jonas vorgeladen. Er konnte zwar einen sofortigen Rausschmiss abwenden, darf nun aber keine Redakteurs- oder Moderationsaufgaben mehr übernehmen.

Franz C. Bauer, Vorsitzender der österreichischen Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, sprach von einem "unglaublichen Gesetz, das uns alle betrifft". Das Redaktionsgeheimnis sei dadurch in Ungarn inexistent, "es gibt keinen Informantenschutz mehr". "Zustände wie in Weißrussland", ortet der Ungarn-Kenner und Journalist Paul Lendvai gegenüber der "Presse".

Ungarischer Botschafter kontert

Der ungarische Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky, reagiert gegenüber der "Presse" auf die Kritik und sagt: "In Weißrussland werden Bürger und Politiker zusammengeschlagen oder verhaftet - das wird im neuen Ungarn nie passieren." Szalay-Bobrovniczky relativiert weiter: Dieses Gesetz stelle die Rechte der öffentlich-rechtlichen Medien wieder her. Seit dem Jahr 1995 hätte es in Ungarn ein sehr schlechtes Mediengesetz gegeben - "es hat den Markt gar nicht geregelt, es hat die privaten Medien über alle Maßen bevorzugt". Das Hauptziel des neuen Gesetzes sei die Herstellung des Renommees der öffentlich-rechtlichen Medien. "Die Rechte der Zuschauer werden mit dem Gesetz gestärkt - außerdem ist der Kinder- und Jugendschutz damit geregelt. Wer sagt, es handelt sich bei dem Gesetz um eine Zensur, der redet Blabla", sagt Vince Szalay-Bobrovniczky.

(Ag./jf)

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