Mein Freitag

Nach Möglichkeit auch keine Wäsche stehlen

Leibl
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Was vor der Tür steht, ist nicht immer für alle da.

Frühlingsblumen sind verheißend, Herbstblumen tröstlich. Heuer wird besonders viel dekoriert, vor den Lokalen, vor den Geschäften, aber vielleicht kommt einem das nur so vor, weil die Augen weiter offen sind für das Rundherum als noch im letzten Herbst.

Bei den Töpfen vor einem Blumengeschäft hängt ein Schild: „Pflanzendiebstahl ist schlecht für's Karma.“ Noch höflicher wird das ein paar Gassen weiter formuliert: „Nach Möglichkeit nicht stehlen“, steht da auf einem Zettel vor den Blumentöpfchen. Bei Pflanzen wird also an ein gewisses Ehrgefühl appelliert, das man bei Fahrrädern gar nicht zu bemühen versucht.

In der Stadt ist es ungeschriebenes Gesetz, dass man mitnehmen darf (oder sogar soll), was ungesichert vor der Haustüre steht. Deshalb muss man bei Umzügen aufpassen, nichts unbeaufsichtigt auf dem Gehsteig zu lassen, sonst ist der halbe Hausrat weg. Kurz etwas auszuladen, um einen Parkplatz zu suchen, ist ebenfalls nicht anzuraten. Sogar ein einzelner Schuh wurde einmal mitgenommen (der lag aus Versehen vor der Haustüre, die Geschichte ist kompliziert).

Manchmal hängen Schuhe aus dem Fenster, die sind definitiv nicht mitzunehmen. Die Luftqualität in der Stadt hat sich verbessert, das merkt man auch bei der vielen Wäsche, die zum Auslüften ins offene Fenster gehängt wird. Das hätte etwa in der Burggasse lang niemand gemacht, außer vielleicht aus Feindschaft gegenüber Mitbewohnern. Nun sieht man dort sogar eine Tuchent aus dem Fenster hängen, eine Praxis, die einem eher von ländlichen Regionen vertraut ist.

„Du musst nach oben schauen“, hat mir ein Besucher einmal eingebläut, „wenn du eine Stadt verstehen willst.“ An einem sonnigen Herbstmorgen sieht man einen Badeanzug, ein Sakko, Socken und Fußballschuhe (baumelnd) auslüften. Voller Leben, heißt es in einer Werbung. So ist es gut.

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