Landesregierung

Tirol: SPÖ und ÖPV präsentieren Regierungsprogramm, Opposition übt Kritik

Zu Mittag haben sich die neue Koalitionäre bei der Präsentation ihres Regierungsprogrammes sowie ihres Regierungsteams in trauter Eintracht präsentiert.
Zu Mittag haben sich die neue Koalitionäre bei der Präsentation ihres Regierungsprogrammes sowie ihres Regierungsteams in trauter Eintracht präsentiert.APA/EXPA/JOHANN GRODER
  • Drucken

Die frisch gebackene Koalition in Tirol will eine „neue Dekade“ einleiten und spricht sich gegen das Aufstellen von Zelten als Asyl-Unterkünfte aus. Die Opposition zeigt sich wenig zufrieden mit dem Ergebnis.

In trauter Eintracht haben die neuen Tiroler Koalitionäre ÖVP und SPÖ am Freitag Regierungsprogramm und -team präsentiert. Inhaltlich warteten die Parteichefs Anton Mattle (ÖVP) und Georg Dornauer (SPÖ) vor allem mit Ansagen in den Bereichen Energie, Wohnen und Raumordnung sowie Transit auf. Sie sprachen sich zudem vehement gegen das Aufstellen von Zelten für Asylwerber aus. Kommenden Dienstag findet die Wahl der Regierung im Landtag statt.

Mattle und sein zukünftiger erster Stellvertreter Dornauer traten - nach 50 Stunden "intensiver" und von über 60 Personen in zehn Untergruppen geführten Verhandlungen - am Innsbrucker Landhausplatz vor die Presse, um die schwarz-rote Koalition zu besiegeln und ihr Programm mit dem Titel "Stabilität in der Krise. Erneuerung für Tirol" vorzustellen. Betont staatsmännisch, zuversichtlich und voller Harmonie unterzeichneten sie das 73 Seiten starke Regierungsprogramm. "Koalitionsfreien Raum" gebe es keinen, teilten die beiden mit. Dornauer wollte eine "neue Dekade" einleiten und ließ auf Nachfrage keine Zweifel aufkommen, dass die Zusammenarbeit auf längere Zeit angelegt sei. Mattle schien sich diesbezüglich - mit Verweis auf den Wählerwillen - noch nicht festlegen zu wollen.

Mit der Wahl des Ortes - im Freien, am Eduard-Wallnöfer-Platz - habe man ein "Zeichen setzen" wollen, schickte Mattle voraus. Die neue Regierung wolle auf die Bevölkerung zugehen. Sie wolle man in unterschiedlichen Lebensbereichen entlasten. So soll alsbald etwa eine Expertengruppe "Teuerung" eingerichtet werden und Maßnahmen beschließen, die jene des Bundes ergänzen sollen, rührte Mattle eingangs bereits fleißig die Werbetrommel für künftige Weichenstellungen. "Anträge und Auszahlungen" sollen "entbürokratisiert und vereinfacht" werden, fügte Dornauer hinzu.

Zwischen „Stabilität“ und „Erneuerung"

Das Thema Energie schlage laut ÖVP-Obmann Mattle den Bogen zwischen den zwei die künftige Regierungsarbeit bestimmenden Prämissen "Stabilität" und "Erneuerung". Er versprach, den Ausbau der "Erneuerbaren" voranzutreiben und etwa fünf Millionen Quadratmeter Fotovoltaikanlagen im Bundesland zu errichten - unter anderem auf Großparkplätzen.

Die neue Regierung werde "erstmals aktive Grund- und Bodenpolitik" betreiben, unterstrich indes SPÖ-Chef Dornauer, dem künftig unter anderem das Wohnbauressort unterliegen wird. So werde man etwa die verpflichtende Vertragsraumordnung sowie eine Baulandmobilisierungsabgabe wie in Salzburg umsetzen. Zudem kündigte er die Schaffung einer "Koordinierungsstelle" an, um eine Abstimmung der Abteilungen Wohnbauförderung, Raumordnung, Grundverkehr und eines "massiv aufgewerteten Bodenfonds" "im Sinne der Schaffung von leistbarem Wohnraum" zu erleichtern.

Um dem Transitaufkommen Herr zu werden, will die künftige Landesregierung ein "Slot- oder Permitsystem" entwickeln und auf eine Korridormaut bestehen. Bisherige Maßnahmen sollen beibehalten oder verschärft werden. Dornauer kündigte zudem an, eine "tatsächliche Mobilitätswende" vorantreiben zu wollen.

Flüchtlingswesen als „einer der ersten Termine"

"Einer seiner ersten Termine" werde ihn zur Leitung der Tiroler Sozialen Dienste (TSD) führen, hielt Dornauer, künftig für das Flüchtlingswesen zuständig, fest. Zelte werde es mit ihm keine geben, kündigte er an. Er werde ab kommender Woche bzw. ab seinem Amtsantritt alles daran setzen, eine "pragmatische, zielorientierte Lösung" zu finden. Mattle bekundete, er stimme Dornauer "zu hundert Prozent" zu, man sei sehr bemüht, "ordentliche Unterkünfte" zur Verfügung zu stellen. Dies habe er auch bereits in Wien deponiert. Am Donnerstag waren bei einer Polizeischule des Bundes in Absam bei Innsbruck Zelte durch den Bund aufgestellt worden, "bevölkert" waren sie aber vorerst noch nicht.

Davon abgesehen streiften die beiden Politiker weitere Themen: Der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung solle schrittweise eingeführt werden, hieß es - zunächst für Kinder ab 24 Monaten, schließlich ab dem 18. Monat. In puncto Pflege wolle man eine Ausbildung "in allen berufsbildenden höheren Schulen in allen Bezirken" einführen, die Ausbildungsgehälter anheben und sich mit dem Modell "Pflegelehre" auseinandersetzen. Auch das Jagdgesetz soll novelliert werden, um eine "möglichst schnelle Entnahme von Problemwölfen" sicherzustellen.

Hinter den beiden Parteichefs stand in Reih und Glied die Riege zukünftiger Landesrätinnen und -räte. Die ÖVP wird, inklusive Mattle, fünf Regierungsmitglieder stellen. Die SPÖ, inklusive Dornauer, drei. Bei Mattle ressortieren Finanzen, Gemeinden, Personal und Kultur. Dem bisherigen Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler sind Land- und Forstwirtschaft, Energie und Grundverkehr unterstellt. Personell warteten die Schwarzen mit drei Neuzugängen in die Regierung auf: Wirtschaftsbündlerin Cornelia Hagele (Gesundheit, Pflege, Bildung und Wissenschaft), die bisherige Kufsteiner Bezirkspolizeikommandantin Astrid Mair (Arbeitnehmerförderung und Sicherheit) und der Touristiker und bisherige Landtagsabgeordnete Mario Gerber (unter anderem Wirtschaft und Tourismus) werden auf der Regierungsbank Platz nehmen. Sie sollten wohl für die viel geforderte Verjüngung in der ÖVP sorgen.

Mattle wird am Donnerstag angelobt

Dornauer wird indes erster Landeshauptmannstellvertreter. Dies stellt ein Novum dar, bisher ließ sich der stets schwarze Landeshauptmann von einem Parteifreund an erster Stelle vertreten. Der Landesparteivorsitzende wird zudem Wohnen, Integration und Sport übernehmen. Neben Dornauer wird die Gewaltschutzexpertin und Juristin Eva Pawlata auf der Tiroler Regierungsbank Platz nehmen. Sie wird für das Sozialressort und Frauen verantwortlich sein. Als dritten Landesrat holte die SPÖ einen weiteren Quereinsteiger von den ÖBB: Regionalmanager René Zumtobel wird Verkehrs- und Umweltlandesrat.

Zudem wurde die personelle Besetzung des Landtagspräsidiums verkündet. Man werde keine Sitze an die Opposition abtreten, erteilte Mattle oppositionellem Streben eine Absage. Das Landtagspräsidium werde in weiblicher Regierendenhand bleiben: Sonja Ledl-Rossmann bleibt Landtagspräsidentin, JVP-Obfrau Sophia Kircher soll ihre erste Vizepräsidentin werden. Ex-SPÖ-Chefin und Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik kandidiert als zweite Vizepräsidentin. Jakob Wolf bleibt übrigens schwarzer Klubobmann, den roten Klubvorsitz übernimmt Landtagsabgeordnete Elisabeth Fleischanderl.

Zuvor hatten die Parteigremien dem Koalitionspakt zugestimmt. Bei der SPÖ war dies am Donnerstagabend der Fall, der ÖVP-Parteivorstand kam am Freitagvormittag zusammen. Die konstituierende Landtagssitzung mit der Wahl der neuen Regierung findet kommenden Dienstag statt. Mattle wird indes am Donnerstag in Wien von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als neuer Tiroler Landeshauptmann angelobt.

Opposition holt zum Rundumschlag aus

Die Tiroler Opposition hat sich am Freitag nach der Präsentation des ÖVP/SPÖ-Koalitionsübereinkommens, wenig überraschend, nicht zufrieden mit dem Verhandlungsergebnis gezeigt. FPÖ-Landesparteivorsitzender Markus Abwerzger sprach von einer "Kühlschrankkoalition ohne soziale Wärme". Die Grünen fanden, dass Klima- und Naturschutz zu wenig Platz eingeräumt werde, die Neos kritisierten die SPÖ als "koalitionäres Anhängsel".

SPÖ-Chef Georg Dornauer und ÖVP-Landesparteiobmann Anton Mattle würden sich "als Eiskästen in Zeiten der größten wirtschaftlichen und sozialen Krise Tirols" präsentieren. Weil die künftige Regierung den "massiven und unaufhaltsamen Scheinasylanten-Ansturm ignoriert", werde Dornauer als "unrühmlicher 'Asylanten-Schorschi' in den Medien negative Schlagzeilen machen", meinte Abwerzger, der darauf hinwies, dass "die ÖVP ja den 'Asylanten-Zelte-Innenminister' auf Bundesebene stellt". Dornauer und Mattle hatten bei der Präsentation der Unterbringung von Asylwerbenden in Zelten unisono eine Absage erteilt. Für Abwerzger ist das Regierungsprogramm "viel Prosa, aber keine konkreten Taten zur Umsetzung".

Laute Kritik vor allem an der SPÖ kam von den Neos. "Vom SPÖ Programm ist fast nichts mehr übrig und die ÖVP regiert so weiter, als wäre sie der große Wahlsieger", sagte Klubobmann Dominik Oberhofer in einer Aussendung. Für ihn bleibe insgesamt "alles beim Alten". Die ÖVP "zementiert", die SPÖ sei ein "koalitionäres Anhängsel". Das rote Wahlprogramm sei "auf der Strecke" geblieben. "Dafür ist Dornauer endlich an seinem persönlichen Ziel angekommen: erster Landeshauptmann-Stellvertreter", spottete Oberhofer. Kein gutes Haar ließ der Klubobmann auch an der schwarzen Personalpolitik, in dem man den seit 1994 im Landtag sitzenden Josef Geisler wieder ins Team geholt habe und indem man mit Astrid Mair, die Lebensgefährtin des künftigen Landespolizeidirektors Helmut Tomac, das Sicherheitsressort besetzt habe.

Die Grünen - ehemaliger Koalitionspartner der ÖVP in den vergangenen zwei Legislaturperioden - gestanden der Regierung zwar zu, dass sie sich erst "beweisen" dürfe. "Wir werden Schwarz-Rot also an ihren konkreten Taten messen, nicht an den Überschriften des Koalitionsabkommens", sagte Klubobmann Gebi Mair. Allerdings zeige sich in der Grundausrichtung, "dass der Klima- und Naturschutz ein Nischendasein in dieser Koalition fristen wird". Die Grünen hätten sich ein eigenes Energie- und Klimaschutzressort erwartet. "Stattdessen gibt es ein fragwürdiges Sicherheitsressort. Das ist enttäuschend, angesichts der drohenden Klimakatastrophe", hielt Mair fest.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Tirol-Wahl

Tirol: SPÖ stimmt mit großer Mehrheit für Koalition mit ÖVP

Der SPÖ-Landesparteirat stimmte am Donnerstagabend im Innsbrucker ÖGB-Haus mit nur vier Gegenstimmen für den Koalitionsvertrag. Nun tagt am Freitagvormittag noch der ÖVP-Landesparteivorstand.
ÖVP-Landesparteiobmann Anton Mattle spricht von "gemeinsamen Schnittmengen" und "keinen unüberwindbaren inhaltlichen Hürden" mit der SPÖ.
"Gemeinsame Schnittmengen"

Nach Tirol-Wahl: Koalitionsgespräche auf der Zielgeraden

Die Parteigremien tagen noch diese Woche, auch das Regierungsteam soll vorgestellt werden. Die Landtagspräsidentin wurde um Einberufung der konstituierenden Landtagssitzung am 25. Oktober gebeten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.