Kunst der Poesie

"Geliebte Zypresse": Von der queeren Kultur im Osmanischen Reich

Christine Pichler
  • Drucken

Der „Neue Wiener Diwan“ gibt mit einer kleinen Veranstaltungsreihe Einblicke in die queere Kultur im Osmanischen Reich sowie in der heutigen Türkei.

Für den Bruchteil einer Sekunde war Ece Özdemir selbst verunsichert. Als sie nämlich im Kollegenkreis, allesamt gute bis exzellente Kenner der Türkei und der türkischen Geschichte, einen Vortrag anregte, einen kompakten wie unterhaltsamen Überblick zur queeren Literaturgeschichte des Landes. „Welche queere Literaturgeschichte?“, kam es entschieden zurück, „so entschieden“, sagt Özdemir, „dass ich kurz selbst zweifeln musste“. Doch da gab es nichts zu zweifeln. Özdemir nahm die Skepsis der Kollegenschaft schon fast persönlich, und in dem Moment sei eines klar gewesen: Statt eines Vortrages musste eine Veranstaltungsreihe her. Und so gewährt der Verein Neuer Wiener Diwan, von Özdemir feinsinnig kuratiert, im Laufe des Oktobers Einblicke in die queere Kultur im Osmanischen Reich und in der Republik.

Belegt ist die lange Geschichte der gleichgeschlechtliche Liebe, ihre Intensität und auch Idealisierung, mit der im Osmanischen Reich hochgeachteten Kunst der Poesie. Diwane heißen die langen Dichtungen, die zwar hauptsächlich von der göttlichen Liebe handeln, die zwischen den ­Zeilen aber auch weltliche Sehnsüchte wiedergeben. „Lass uns immer Lieder singen und Gedichte rezitieren / Lass uns nach Sa’dabad gehen, meine geliebte Zypresse“, schrieb etwa der große Dichter Nedîm (geboren 1681), die Zypresse als Synonym für Liebhaber verwendend, wie viele Dichter vor ihm.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.