Off-Spaces

Zu Besuch in den Kunsträumen

Neben den großen Museen, etablierten Institutionen und Galerien gibt es in Wien eine Fülle von selbst organisierten Kunsträumen, die spannende Impulse setzen.

Offspaces? Independent Spaces? Artist-run Spaces? Wie soll man sie denn nennen, klassifizieren, zusammenfassen – diese nicht kommerziellen, meist von Künstlerinnen und Künstlern oder unabhängigen Kuratorinnen und Kuratoren betriebenen Ausstellungsräume, die im Gefüge der etablierten Kunstinstitutionen längst eine nicht zu übersehende Größe darstellen? Um die 170 solcher Räume gibt es allein in Wien, dazu kommen noch einige Dutzend in den anderen Bundesländern.

Sie bilden eine eigene Szene mit einem eigenen Publikum und gewissermaßen auch einem sozialen Auftrag im Sinn von Socializing, Austausch, Kommunikation. Meistens als Kunst- oder Künstlervereine organisiert, sind sie von der Größe her eher mit Galerien vergleichbar, von denen sie sich keineswegs in der Professionalität und Qualität der Arbeit unterscheiden. Die Schere tut sich vielmehr im Finanziellen auf: im nicht kommerziellen Anspruch, im selten bis kaum vorhandenen Kapital und im selbstlosen Einsatz.

Denn wer sich entscheidet, einen solchen unabhängigen Kunstraum zu betreiben, tut dies nicht, um davon zu leben, sondern aus Engagement, Idealismus, um sich oder anderen etwas Gutes zu tun, und für die Sache der Kunst. Der Lebensunterhalt wird außerhalb verdient – meistens im Bereich der Kunst, im Kreativbereich, in der Kunstvermittlung oder Kunstlehre. Oder ganz woanders.

Der Preis der Freiheit

Das ist gewissermaßen der Preis der Freiheit, den diese Kunsträume in doppelter Hinsicht implizieren – aus Sicht der Kuratierenden und Betreiber und aus Sicht der Künstlerinnen und Künstler. Axel Koschier und Stefan Reiterer etwa, die Betreiber des New Jörg im 20. Bezirk, sind sich einig, dass das New Jörg immer auch ein Teil des jeweils eigenen künstlerischen Projekts ist.

„Wir können uns ja aussuchen, ob wir es machen oder nicht, und haben daher fast immer ausschließlich ehrenamtlich gearbeitet. Aber wir zeigen keine unbezahlten Ausstellungen, zahlen den ausstellenden Künstlerinnen und Künstlern Honorare und übernehmen auch die Kosten für Transport, Reisen, Aufenthalt und so weiter“, sagt Reiterer. „Unser Ziel ist, die Ausstellung zu ermöglichen, die sich die Künstler wünschen.“

Für die Künstlerinnen und Künstler tun sich damit Möglichkeiten auf, die in einer Galerie aufgrund des Verkaufsdrucks nicht möglich wären. „Abgesehen davon, dass es auch eine Rolle von uns ist, junge unbekannte Künstler einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, gibt es immer auch Künstler, die gern bei uns ausstellen, weil der kommerzielle Druck wegfällt und wir ihnen gewisse Freiheiten bieten können“, sagt Edin Zenun, der mit Bruno Mokross im vierten Bezirk den Kunstraum Pina betreibt. Verkaufen können die Künstler trotzdem, ohne an den Ausstellungsraum Prozente abzuführen.

„Dass in Wien und Österreich auch sehr kleine Ausstellungsräume dauerhaft gefördert werden, ist im internationalen Vergleich einzigartig“, sagt Bruno Mokross. Er spielt damit an auf die Kulturförderungen, die vom Bund, der Stadt Wien und den Ländern ausgeschüttet werden und die zumindest einen finanziellen Sockel bilden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Devise ist immer, „das Geld sehr effizient auszugeben“, sagt Stefan Reiterer. Dazu kommt noch die von der Stadt Wien jährlich an fünf unabhängige Wiener Projekträume oder Artist-run Spaces vergebene Prämie in Höhe von 4000 Euro, die seit 2020 nach dem Vorbild des „Galerien-Preises“ den Namen „Offspace-Preis“ trägt.

Keine Abseits-Stellung

Bleibt also die Frage der Begrifflichkeit. Die Bezeichnung „Offspace“ hat sich eingebürgert, aber sie macht die Beteiligten nicht wirklich glücklich, kommt die Abgrenzung doch auch einer Ausgrenzung gleich. „Die bewusste Trennung zwischen Galerie und Offspace erfolgt insbesondere im deutschen Sprachraum stärker als anderswo“, sagt Bruno Mokross. „Pina selbst bezeichnet sich daher als Non-Profit-Space.“
Die Szene der unabhängigen Räume ist dezentral und gestreut, ihre Arbeitsweise offen und durchlässig. Dennoch sind sie deshalb nicht „off“. Vielmehr stellen die sogenannten Offspaces neben kommerziellen Galerien und Museen eine weitere Säule im Kunstbetrieb dar.

Zenun verweist auf die von Beginn an als Künstlervereinigung organisierte Wiener Secession: „Die Secession ist der älteste ,Artist-run Space‘.“
Zur Stärkung der Szene und als kulturpolitisches Signal wurde 2017 von Bruno Mokross, Fanny Hauser und anderen unabhängigen Kuratorinnen und Künstlern der „Independent Space Index“ ins Leben gerufen, dessen nach außen sichtbarstes Signal eine Homepage mit einem Verzeichnis der unabhängigen Wiener Kunsträume ist. Vor allem aber steht der Index für Austausch, etwa in Form eines monatlichen Jour fixe und eines seit 2018 jährlich stattfindenden Festivals, bei dem alle Beteiligten ein Wochenende lang gemeinsam ihre Räume offen halten.

Mokross und Zenun gehören auch zu den Veranstaltern des 2020 und 2021 jeweils im Herbst veranstalteten Projekts „Haus“. Ursprünglich als alternative Kunstmesse gedacht, war es letztendlich als Ausstellung an ungewöhnlichen Orten wie zuletzt einer ehemaligen Stahlseilfabrik und einer Schrebergartensiedlung angelegt. Auf Grundlage eines Open-Calls zeigte „Haus“ einen Ausschnitt der jungen Kulturproduktion. „,Haus‘ basiert auf unseren Erfahrungen, wie Kunsträume geführt werden können“, sagt Mokross. „Wir haben uns der Frage gewidmet, ob es möglich ist, die Arbeitsweise unabhängiger Kunsträume in ein großformatiges Ausstellungskonzept zu übersetzen." 

Tipp:

Kunstverein Gartenhaus zeigt ab ­
17. November „Lucy Beech. Notes on
Warm Decembers“.
kunstverein-gartenhaus.com
Mauve eröffnet die vierte und letzte ­Gruppenausstellung des Jahres am ­
3. Dezember. mauve-vienna.com
Im New Jörg ist Andrea Lüths Installation „Hotel“ noch bis 4. 11. zu sehen. newjoerg.at
Pina präsentiert aktuell „Drawings“, ein Projekt in Form einer stetig wachsenden Group-Show. Bis 12. November.
pinavienna.eu
Never At Home. Infos zu Ausstellungen und Projekten auf never-at-home.at

("Die Presse Kulturmagazin" vom 21.10.2022)

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