Schach-Eklat

Hans Niemanns Angriff mit 100-Millionen-Dollar-Klage

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Amerikas Großmeister Hans Niemann hat Betrugsvorwürfe satt. Der Teenager reichte im US-Bundestaat Missouri Klage ein, sie richtet sich gegen Superstar magnus Carlsen, dessen Online-Schachplattform, Chess.com-Manager Danny Rensch und US-Großmeister Hikaru Nakamura.

St. Louis. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, ehe US-Großmeister Hans Niemann diesen Zug wählen würde. Jetzt hat der seit Monaten mit Betrugsvorwürfen konfrontierte Teenager genug und der Schach-Skandal zwischen Weltmeister Magnus Carlsen und ihm geht in die nächste Runde. Der 19-Jährige hat Medienberichten zufolge eine Verleumdungsklage gegen den Norweger eingereicht.
Niemann fordere wegen der Vorwürfe gegen ihn mindestens 100 Millionen Dollar, aktuell rund 102 Millionen Euro, Schadenersatz.

Eingereicht wurde die Klage demnach freilich in den USA, vor einem Bundesgericht im US-Staat Missouri. Sie richtet sich jedoch nicht nur gegen Carlsen, sondern auch gegen die Online-Schachplattform „Play Magnus“, Chess.com-Manager Danny Rensch und den amerikanischen Großmeister Hikaru Nakamura.

FILE PHOTO: Norwegian chess player Magnus Carlsen participates at the Energy Denmark Champions Battle 2019 in Circus Building, Copenhagen
FILE PHOTO: Norwegian chess player Magnus Carlsen participates at the Energy Denmark Champions Battle 2019 in Circus Building, CopenhagenREUTERS

„Auf schwarze Liste gesetzt“

Der Amerikaner, lange zeit als „Wunderkind mit Wuschelkopf“ gepriesen, steht im Zentrum eines Skandals, der seit September die Schachwelt plagt und zusehends entzweit. Beim Sinquefield Cup in St. Louis verlor der norwegische Superstar Carlsen überraschend gegen Niemann – und zog sich danach erstmals in seiner Karriere von einem Turnier zurück. Die Szene der 64 Felder deutete seinen Ausstieg umgehend als Betrugsvorwurf gegen Niemann. In einem Interview während des Cups gab der Amerikaner dann auch zu, zweimal als Teenager bei Online-Partien betrogen zu haben.
Carlsen, 31, warf Niemann daraufhin vor, öfter und auch in jüngerer Vergangenheit betrogen zu haben. Ein Untersuchungsbericht des Portals Chess.com legte Anfang Oktober sogar sehr nahe, dass Niemann „wahrscheinlich in mehr als 100 Online-Partien betrogen“ haben soll. Darunter auch in Preisgeldturnieren. Tatsächliche Beweise blieben bislang aber aus, dafür machten groteske Gerüchte, die bis zur Verwendung Signal-gesteuerter Anal-Kugeln reichten, die Runde.

Niemann wirft jetzt allen Beschuldigten vor, sich verbündet zu haben, um seinen Ruf und Lebensunterhalt zu zerstören. Man habe ihn „auf eine schwarze Liste setzen“ wollen, sodass er von Turnierorganisatoren gemieden wurde, seit der fünfmalige Weltmeister ihn öffentlich des Betrugs beschuldigte. Chess.com wies die Vorwürfe in US-Medien zurück. Carlsen reagierte zunächst nicht.

Beweise bislang ausständig

In allen Fällen gilt weiterhin die Unschuldsvermutung, wobei die für viele Beobachter und auch Rechtsexperten mehrfach schon Matt gesetzt worden ist. Carlsens überraschende Niederlage und der Rückzug vom Sinquefield Cup in St. Louis, Missouri, zogen viele mit in diesen Wirbel hinein. Unter anderem Nakamura, der sich der Meinung des Norwegers angeschlossen hatte „und dazu stundenlange Videoinhalte veröffentlicht, die versuchen, falsche Vorwürfe zu untermauern“.

Warum sollte sich Niemann denn nicht wehren, auf sein Recht pochen respektive Beweise für vermeintliche Vergehen einverlangen, die er weiterhin klar in Abrede stellt? Die Ausführungen von Chess.com. die der Nachrichtenagentur Reuters vorgelegt wurden, überzeugten jedenfalls keineswegs. Niemanns Anschuldigungen seien unbegründet und man sei als Unternehmen „traurig“ über die Entscheidung, rechtliche Schritte einzuleiten.

Chess.com sperrte Niemann nach dem ersten Match gegen Carlsen und daran knüpft sich der Gegenzug des Amerikaners: man habe ihn von der Website und zukünftigen Veranstaltungen verbannt, „um Carlsens unbegründeten und diffamierenden Betrugsvorwürfen Glaubwürdigkeit zu verleihen“. Der Internationale Schachverband Fide versicherte bereits im September, dass eine Untersuchung der Betrugsvorwürfe eingeleitet werde.

Jetzt gibt es daran kein Umhinkommen mehr, wobei nicht mehr die Großmeister Bauern und Läufern ziehen, sondern Rechtsanwälte über Eröffnung, Rochade und Schläge entscheiden. Und, war es womöglich Carlsens Strategie, geklagt zu werden, damit er Daten oder Unterlagen vorlegen kann, die ansonst aus rechtlichen Gründen nicht eingesehen hätten werden können?

Schach ist ein Denksport. Und die Strategie der Stars reicht etliche Züge voraus.

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