Weniger Flächen, mehr Einsparungen: Der Wandel auf dem Wiener Büromarkt ist nachhaltig. Und seit dem Sommer hat zudem eine neue Phase der Umstrukturierung begonnen.
Wir sprechen mittlerweile von einem Markt vor dem Sommer und nach dem Sommer, und wir erwarten, dass die neue Realität auch noch bis Mitte nächsten Jahres anhalten wird“, sagt Alexander Fenzl, Geschäftsführer von Optin Immobilien. Nach dem Start der Zinsanhebungen durch die EZB, der gestiegenen Energiepreisdynamik und der mittlerweile gesenkten Wachstumsprognose zeigen sich deutlich spürbare Veränderungen: „Auf dem Vermietungsmarkt beobachten wir verstärkt Flächenreduktionen.“ Während in den vergangenen beiden Jahren Umzüge verwendet wurden, um Mitarbeitern eine neue Arbeitswelt mit Berücksichtigung von Home-Office anzubieten und eine Flächenreduktion nicht im Vordergrund gestanden ist, „hat sich die Priorität klar in Richtung Einsparung verschoben“, erklärt Fenzl.
Niedrigster Wert seit Jahrzehnt
Für das Gesamtjahr prognostiziert Otto Immobilien dennoch eine Vermietungsleistung von rund 150.000 Quadratmetern. Im Vorjahr lag dieser Wert bei rund 136.000. Gleichzeitig beobachtet Steven Scheffler, Teamleiter für Büroflächen bei Otto Immobilien, in vielen Submärkten teilweise deutlich gestiegene Mieten: „Die Einstiegspreise legten in fast allen Submärkten zwischen fünf und zehn Prozent zu. Die Maximalpreise stiegen vor allem in den Submärkten Donau-City und auf dem Hauptbahnhof deutlich an.“ Als eine Ursache dafür sieht er einen klaren Nachfrageüberhang. In A-Lagen gibt es aktuell je nach Flächengröße kaum beziehungsweise keine Optionen, und auch in B-Lagen schwinden die verfügbaren Flächen. Für Mario Stöckl, Leiter Büroimmobilien bei Colliers, ist klar, dass sich die „Entwicklung bis nächstes Jahr noch verschärfen wird“. Zwar erreicht das Fertigstellungsvolumen mit 126.000 Quadratmetern heuer fast das Doppelte des Vorjahreswerts, doch entfallen 82 Prozent auf Refurbishments von Bestandsobjekten. Der Gesamtbestand der Büroflächen auf dem Wiener Markt bleibt daher gleich.
„An diesem Trend wird sich auch im ersten Halbjahr 2023 vorerst nichts ändern“, sagt Stefan Wernhart, Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien. Für das kommende Jahr sind Fertigstellungen von nur rund 42.000 Quadratmetern angekündigt, der niedrigste Wert seit mehr als einem Jahrzehnt. „Aufgrund der bis Mitte 2023 sehr ausgedünnten Fertigstellungspipeline auf dem Wiener Büromarkt und dem Wunsch, sich die besten Flächen zu sichern, konzentrieren sich unsere Kunden aktuell intensiv auf die Projekte, die Ende 2023 beziehungsweise Anfang 2024 bezugsfertig sind“, sagt Wernhart. Das sind unter anderem Vio Plaza (U4-Station Meidling), das Francis (Althanquartier) oder Urban Garden (Myhive am Wienerberg).
Längere Entscheidungsfindung
AUF EINEN BLICK
Da sich die Unternehmen intensiv mit ihrer Standortsituation auseinandersetzen, dauert die Entscheidungsfindung länger als bisher. „Wir spüren keinen großen Nachfragerückgang“, erklärt Elisa Stadlinger, Leitung Gewerbeimmobilien Örag, „aber die Projekte werden genauer geprüft.“ Die Gegebenheiten, mit denen sich die Firmen auseinandersetzen müssen, sind in der Dimension neu. Unter anderem ist man bei den Energiekosten seit Sommer äußerst sensibilisiert. „Das Thema ESG – und hier besonders die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit von Immobilien – wird bei Büronutzern, besonders durch die massive Kostenerhöhung bei Heiz-, Energie- und Kühlkosten, zum immer präsenteren Thema“, stellt Stadlinger fest.Mit 126.000 Quadratmetern erreicht das Fertigstellungsvolumen heuer fast das Doppelte des Vorjahreswerts, 82 Prozent davon fallen jedoch auf Refurbishments von Bestandsobjekten. Der Gesamtbestand der Büroflächen auf dem Wiener Büromarkt bleibt daher gleich.
Für 2023 wird ein Fertigstellungsvolumen von lediglich 42.000 Quadratmetern erwartet.
Mieter konzentrieren sich auf die Projekte, die Ende 2023 oder Anfang 2024 bezugsfertig sein werden.
Das – durch die Pandemie – verordnete Home-Office zeigt jetzt auch seine positiven Seiten. Man hat sich in den Unternehmen daran gewöhnt und die neue Arbeitswelt – inklusive Desk-Sharing und Home-Office – hat sich bei Büromietern vollständig etabliert. „Nun nutzen viele Unternehmen diese Tools, um nachhaltig Fläche einzusparen“, meint Stöckl. Viele Nutzer haben schon deutlich die Fläche reduziert, sofern das möglich ist. Wo befristete Mietverträge (noch) keine Flächenreduktion zulassen, werden oftmals die nicht benötigten Büroflächen zur Untermiete angeboten. Je nach Lage funktioniert das besser oder schlechter. Stöckl: „In gefragten Submärkten wie zum Beispiel dem Hauptbahnhof können auch Untermietflächen nachhaltig und langfristig vermietet werden.“
Robuste Verfassung
Die nach oben gehende Inflation, die hohen Baukosten sowie die steigenden Energiepreise werden den Büromarkt in den nächsten Monaten weiterhin beschäftigen, sagt Stöckl mit Blick auf die Zukunft. Nicht nur aufgrund der steigenden Mieten werden die Büros effizienter gestaltet, sondern auch, um die explodierenden Energiekosten, soweit es geht, abzufedern. Ganz ohne Büros geht es aber definitiv nicht. Die werden gebraucht, „um den Leuten Raum für Austausch und Kreativität zu geben und sie an das Unternehmen zu binden und erfolgreich tätig sein zu können“, sagt Stadlinger. Auch wenn sich der Markt aufgrund der Gegebenheiten neu strukturiert, „so weisen alle Kennzahlen für den Wiener Büromarkt auch unter Berücksichtigung der geopolitischen und wirtschaftlichen Lage eine robuste und stabile Verfassung aus“, stellt Wernhart fest.