Interview

Jeremy Adelman: „Historische Referenzen machen Komplexes verständlich“

Jeremy Adelman
Jeremy AdelmanMichele Pauty
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Geschichte wiederhole sich aber nie, sagt Jeremy Adelman. Der Historiker über Endzeitstimmung, Social Media und falsche Lehren.

Wir vergleichen die aktuelle wirtschaftliche Situation mit der Stagflation der 1970er-Jahre. Und Russlands rechtswidrige Annexion der vier ukrainischen Oblaste wurde vielfach mit Hitlers Griff nach dem Sudetenland verglichen. Sind solche Vergleiche zulässig?

Jeremy Adelman: Geschichte wiederholt sich nie. Wer zu sehr auf die Parallelen zur Vergangenheit schaut, übersieht vielleicht die relevanten Unterschiede zur Gegenwart. Die Inflation der 1970er-Jahre etwa hatte nicht nur völlig andere Ursachen als die aktuelle Inflation. Sie trat auch unter anderen institutionellen Rahmenbedingungen auf. Inflation breitet sich heute nicht auf dieselbe Weise aus wie damals.

 

Warum bedienen wir uns dann immer wieder solcher historischer Vergleiche?

Derlei historische Referenzen sind Narrative, die uns helfen, komplexe Zusammenhänge besser zu verstehen. Wir können nicht anders. Aber wir laufen dabei Gefahr, dass sich Narrative verselbstständigen und unser Handeln bestimmen. Im Militär sagt man sprichwörtlich, dass man immer den vorigen Krieg führt, also auf die siegreiche Strategie vorigen Kriegs setzt. Das ist auch in der Wirtschaft so.

Ein in Europa beliebtes Narrativ war, dass Handelsbeziehungen zwischen Ländern auch Kriege zwischen diesen Ländern verhindern. Ist diese Erzählung noch haltbar?

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