Meloni setzt auf Made in Italy, Kontinuität und Machtdemonstration

Angelobt. Die Besetzung der Ministerien und deren geänderte Aufgaben sagen viel darüber aus, wie Italiens neue rechtsnationale Regierungschefin künftig regieren möchte. ✒

Italien hat seit Samstag eine neue Regierung: Die neue rechtsnationale Ministerpräsidentin und ihr Kabinett wurden angelobt. Giorgia Meloni fuhr zum bisher wichtigsten Treffen ihrer Karriere mit einem weißen Fiat 500 X: Zu Staatspräsident Sergio Mattarella, der der Postfaschistin und Siegerin der italienischen Parlamentswahlen am Freitagabend den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt hatte. Die Wahl des Fiats ist symbolisch: Meloni setzt auf „Made in Italy“ und auf bekannte Lösungen.

Vom Regierungsauftrag zur Angelobung vergingen nur wenige Stunden, denn die Zeit drängt: Italien braucht wegen des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise rasch eine handlungsfähige Regierung – und nicht zuletzt, um das Haushaltsgesetz vor Jahresende fertigzustellen. Meloni ist die erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung. Sie regiert künftig die rechteste Koalition, die das Land seit dem Ende des zweiten Weltkriegs gesehen hat: Sie besteht aus Melonis Fratelli d'Italia, die als postfaschistisch bezeichnet wird, weil sie einer Partei abstammt, die zuvor neofaschistisch war, Silvio Berlusconis rechtskonservativer Forza Italia und Matteo Salvinis rechtspopulistischer Lega.

Was Meloni programmatisch vorhat, lässt die Besetzung ihres Kabinetts – und die Aufgaben, die sie für die Ministerien ausgewählt hat – erahnen. Beides belegt, dass Meloni sich gegen ihre Koalitionspartner Salvini und Berlusconi durchzusetzen weiß, von ihren internationalen Partnern als verlässliche Alliierte wahrgenommen werden will und stark auf das politische Establishment setzt. Programmatisch hat Meloni eine erzkonservative und nationalistische Regierung ohne Überraschungen vorbereitet.

Ihr Kabinett enthält viele bekannte Gesichter: Männer, die schon unter Berlusconi in der Politik – oder in ihrer unmittelbaren Nähe – aktiv waren. Das Durchschnittsalter liegt bei 60 Jahren, 18 männlichen stehen nur sechs weibliche Ressortchefs gegenüber. Meloni als Frau ist mit ihren 45 Jahren gleich eine doppelte Ausnahme. Außerdem sind von den 24 Ministerinnen und Ministern acht sogenannte Techniker, die keiner Partei angehören.

Berlusconi ist bei der Postenverteilung leer ausgegangen. Zu schwer wogen seine Kreml-freundlichen Aktionen der vergangenen Wochen und zu sehr stehen sie Melonis politischem Projekt entgegen, das eine feste Verankerung Italiens in der transatlantischen Allianz vorsieht.

Erfahrener Wirtschaftsminister. Die wohl wichtigste Personalie in Melonis Kabinett ist Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti von der Lega: Er ist der einzige Minister, der schon der Regierung von Mario Draghi angehörte. Dort verteidigte er Draghis Linie. Seine Besetzung ist ein Signal der Kontinuität an die internationalen Finanzmärkte, die die neue Regierung in Rom wegen ihrer hohen Staatsschulden argwöhnisch beobachten. Gleichzeitig ist die Auswahl ein Seitenhieb Melonis gegen Salvini, denn Giorgetti ist dessen wichtigster Gegenspieler in der eigenen Partei.

Meloni hat sich alle Mühe gegeben, Salvini kleinzuhalten: Entsprechend hat er nicht das Innenministerium erhalten, als dessen Chef er 2019 die EU mit seiner Politik der geschlossenen Häfen unter Druck setzte und seine Umfragewerte steigen ließ, sondern das Transportministerium. Um den Schein einer gleichberechtigten Koalition zu wahren, hat Salvini den Titel des Vizeministerpräsidenten erhalten.

Diesen Titel gibt es auch für den wichtigsten Minister des anderen Koalitionspartners: Antonio Tajani von der Forza Italia. Er ist fortan Außenminister. Tajani gilt in Brüssel als verlässlicher, moderater Politiker. Er war in der Vergangenheit Präsident des Europäischen Parlaments. In der Forza Italia betreibt er seit jeher Schadensbegrenzung nach den jeweils neuesten Eskapaden seines Chefs Berlusconi – zuletzt Ende vergangener Woche. Er gilt als Garant von Melonis transatlantischer Linie.

Mit Tajani signalisiert Meloni den EU-Partnern zwar, dass sie in Brüssel nicht auf Totalkonfrontation setzt. Doch die Besetzung von Raffaele Fitto aus ihrer Partei als Minister für EU-Angelegenheiten bedeutet auch, dass es ihr ernst ist, um die Verteidigung von Italiens nationalen Interessen in Brüssel zu kämpfen. Künftig ist Fittos Ministerium zusätzlich für den „PNRR“ zuständig. Jenen Plan, mit dem Italien die Milliarden des EU-Coronawiederaufbaufonds ausgeben wird. Dass dieser nun im Titel des Ministeriums aufscheint, zeigt, welche Relevanz Meloni ihm beimisst.

Natalität. Auch anderen Namen hat Meloni angepasst: Das Familien- und Gleichstellungsministerium erhielt den Zusatz „Natalität“, also Geburtenförderung. Das Landwirtschaftsministerium ist ab sofort auch für „Nahrungsmittelsouveränität“ zuständig, das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung für „Unternehmen und Made in Italy“. Und das Umweltministerium, das bisher auch für den ökologischen Wandel sorgen sollte, kümmert sich stattdessen nun um die „Energiesicherheit“. ⫻

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2022)


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