Vergaben

Macht braucht Compliance

Bei Vergaben müssen die europäischen Grundsätze, die Gleichbehandlung und die Transparenz gewahrt werden. Die Vergabe-Compliance stellt das sicher, betonen Lisa Rebisant, Martin Schiefer und Rudolf Pekar, Schiefer Rechtsanwälte (v. l.).
Bei Vergaben müssen die europäischen Grundsätze, die Gleichbehandlung und die Transparenz gewahrt werden. Die Vergabe-Compliance stellt das sicher, betonen Lisa Rebisant, Martin Schiefer und Rudolf Pekar, Schiefer Rechtsanwälte (v. l.).(c) Schiefer Rechtsanwälte
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Vergaben. Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind die drei großen Anforderungen an das Vergabewesen. Vergabe-Compliance ist die junge Spezialdisziplin, die das alles sicherstellt.

Rund 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts werden in Österreich durch öffentliche Beschaffungsvorgänge generiert. Damit kommt der öffentlichen Hand, der Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden, eine besondere Bedeutung und eine enorme Marktmacht zu. Die öffentliche Beschaffung ist aus politischer, organisatorischer und rechtlicher Sicht eine hochkomplexe Materie. Sie ist zur Umsetzung des Wettbewerbs im Binnenmarkt unerlässlich. Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sind die drei großen Anforderungen an das Vergabewesen. Dabei müssen die europäischen Grundsätze, die Gleichbehandlung und die Transparenz gewährleistet sein. Daher braucht das Vergabewesen eine ganz klare Reglementierung.

Transparent & regelkonform

Mit der Vergabe-Compliance hat sich in den letzten Jahren eine junge Spezialdisziplin entwickelt, die sich insbesondere mit der Korruptionsanfälligkeit des Vergabewesens und mangelnder Transparenz bei der Beschaffungsentscheidung beschäftigt. Ziel ist es, das Vergabewesen durch entsprechende Compliance-Maßnahmen transparent, nachvollziehbar und regelkonform zu gestalten. Die Vergabe-Compliance ist eine Schnittstelle zwischen Vergabe-, Kartell- und Strafrecht.

Das Bundesvergabegesetz (BVergG 2018) enthält selbst eine Vielzahl an Bestimmungen, deren Regelungszweck in der Einhaltung des Transparenzgrundsatzes liegt. Beispiele dafür sind Bekanntmachungs- und Bekanntgabevorschriften, nach denen durch ein Vergabeverfahren zu vergebende und vergebene Aufträge je nach Auftragswert unionsweit und/oder österreichweit der Öffentlichkeit bekannt zu machen sind.

Konflikte verhindern

Das Kernstück der vergaberechtlichen Compliance-Vorschriften ist die Pflicht öffentlicher Auftraggeber, Interessenskonflikte zu verhindern. Öffentliche Aufraggebern müssen geeignete Maßnahmen treffen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und eine Gleichbehandlung aller Bieter zu gewährleisten. Ein weiterer Fokus der vergaberechtlichen Compliance liegt in der Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Durchführung einer entsprechenden Eignungsprüfung der Bieter, die an einem Vergabeverfahren teilnehmen. Diese soll sicherstellen, dass öffentliche Aufträge nur an zuverlässige, befugte und geeignete Bieterunternehmen vergeben werden. Aktuell sind öffentliche Auftraggeber in diesem Zusammenhang besonders durch Wettbewerbsbeschränkungen infolge von unzulässigen (Kartell-)Absprachen gefordert. Unternehmen, die in der Vergangenheit an Kartellabsprachen beteiligt waren, sind grundsätzlich von der Teilnahme an zukünftigen Vergabeverfahren ausgeschossen – außer wenn sie im Rahmen der sogenannten Selbstreinigung glaubhaft machen können, dass sie trotz Verwirklichung des Ausschlussgrundes „zuverlässig“ sind.

Im Einzelfall prüfen

Das ist vom öffentlichen Auftraggeber jeweils im Einzelfall zu prüfen und zu beurteilen. Kartellabsprachen verursachen somit nicht nur große volkswirtschaftliche Schäden, sondern führen bei öffentlichen Auftraggebern auch zu einem erhöhten Prüfaufwand. Ein Fokus der Vergabe-Compliance sollte somit auch auf Maßnahmen gerichtet werden, wie öffentliche Auftraggeber zur Aufdeckung und Verhinderung von Kartellabsprachen beitragen können.

Schließlich ist im Rahmen der Vergabe-Compliance die Schnittstelle zum Strafrecht entscheidend. Unerlaubte Handlungen, die im Rahmen von Vergabeverfahren gesetzt werden, verstoßen häufig nicht nur gegen Bestimmungen des BVergG 2018, sondern sind möglicher Weise auch gerichtlich strafbar. In den letzten Jahren hat sich das sogenannte Vergabestrafrecht immer mehr als eigene Disziplin des Wirtschaftsstrafrechts entwickelt und an Bedeutung gewonnen. Als Kernnorm des Vergabestrafrechts ist dabei § 168b StGb zu nennen, der wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren unter Strafe stellt. Neben diesem Tatbestand können im Zusammenhang mit Vergabeverfahren aber insbesondere auch die Tatbestände des Korruptionsstrafrechts relevant sein. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit kann dabei nicht nur die agierenden natürlichen Personen treffen, sondern nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG) unter anderem auch öffentliche Auftraggeber, denen die strafbaren Handlungen dieser Personen zugerechnet werden können. Für öffentliche Auftraggeber ist es daher essenziell, bei jenen Mitarbeitern, die sie zur Abwicklung von Vergabeverfahren einsetzen, durch Schulungsmaßnahmen entsprechendes Bewusstsein für die Schnittstelle zwischen Vergabe- und Strafrecht zu schaffen.

Beitrag zur Prävention

Öffentliche Auftraggeber sind somit auf vielen Ebenen gefordert, dafür zu sorgen, dass die dargestellten Regelungen bei der Abwicklung von Vergabeverfahren eingehalten werden. Als effektives und adäquates Compliance-Tool bietet sich für die öffentliche Hand bei der Abwicklung von Vergabeverfahren etwa die Einrichtung von anonymen, etwa unternehmensinternen Hinweisgebermeldesystemen an. Abgesehen davon, dass öffentliche Auftraggeber nach den Bestimmungen der „Whistleblower-Richtlinie“ und nach den noch zu erlassenden österreichischen Umsetzungsgesetzen zur Einrichtung derartiger Meldesysteme in der Regel verpflichtet sein werden, können diese in der Praxis einen wertvollen Beitrag zur Prävention von Rechtsverstößen im Zusammenhang mit Vergabeverfahren und damit zu Regeltreue leisten. 

Compliance-Tipps für öffentliche Auftraggeber

  • Einholung von entsprechenden Erklärungen der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
  • Umfassende Dokumentation der Vorbereitung und des Ablaufs des Vergabeverfahrens
  • Bewusstseinsschaffung für vergabe- und allenfalls strafrechtswidriges Verhalten durch entsprechende Schulungen
  • Klare Kommunikations- und Berichtswege an die Geschäftsleitung und Rechtsabteilung
  • Einrichten eines Hinweisgebermeldesystems
  • Implementierung und Abstimmung eines Compliance-Management-Systems, das zur jeweiligen Organisation passt.

Vergaberecht neu denken

Die Einrichtung von adäquaten, auf die Bedürfnisse von öffentlichen Auftraggebern zugeschnittenen Compliance-Systemen erfordert Expertinnen und Experten, die vergaberechtliche Rahmenbedingungen insbesondere mit straf- und kartellrechtlichen Aspekten verknüpfen und diese in angepasste Compliance-Lösungen gießen.

Das Compliance-Team von Schiefer Rechtsanwälte begleitet öffentliche Auftraggeber bei ihren Compliance-Herausforderungen und bietet in diesem Zusammenhang speziell für diese und ihre Tätigkeit im Rahmen von Vergabeverfahren zugeschnittene Lösungen an. Diese reichen von der Erstellung von Risikoanalysen, über die Durchführung von – aus Compliance-Sicht unerlässlichen – Schulungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die mit der Abwicklung von Vergabeverfahren betraut sind, bis zur Unterstützung bei der Einrichtung von maßgeschneiderten Compliance-Systemen, wie der Einrichtung und der Betreuung von Hinweisgebermeldesystemen.

Rudolf Pekar und Lisa Rebisant, Schiefer Rechtsanwälte, leiten auch die Arbeitsgruppe „Vergaberecht und öffentliche Beschaffung“ bei Transparency International und wirken so an der Ausarbeitung von konkreten Vorschlägen zur Erhöhung der Transparenz und Compliance bei Vergabeverfahren mit.

www.schiefer.at


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