Randerscheinung

Das große Los der Nachzügler

Carolina Frank
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Ich versuche im Erziehungsalltag verstärkt Erfahrung und Effizienz ins Spiel zu bringen - bei schwindender Erziehungsenergie.

Ich bin also unwiderruflich in jene Lebensphase eingetreten, in der ­stetig nachlassende Energie mit Erfahrung und Effizienz ausgeglichen werden muss. Ganz allgemein in so gut wie jedem Bereich (ja, ja und ja), aber speziell auch in pädagogischer Hinsicht. Wo zum Beispiel der Älteste erst mit sechs Jahren erfahren hat, dass man Zucker in Heißgetränke geben kann (wirklich), weil wir so rigoros beim Thema Ernährung waren, schaufelt der Jüngste schon zum Frühstück dieses ganze Loopspopsflakeszeug in sich hinein, das, wenn man die Zusammensetzung studiert, sich nur unwesentlich von allem unterscheidet, was man normalerweise im Süßigkeitenregal vorfindet.

Ich beobachte diese Entwicklung mit Unbehagen, Müdigkeit und einem Schulterzucken. Die verbleibende Erziehungsenergie fließt derweil in Zahnpflege (ich weiß, das ist inkonsequent, wenn man das Zuckerzeug zulässt), Bildschirmzeit-Monitoring (vor allem das) und Schulgeschichten (da sind alle drei unverdient pflegeleicht). Mit sehr unterschiedlichem Erfolg, wie ich ein­räumen muss. Der große Vorteil mit einem Nachzügler in dieser Hinsicht ist: Es gibt keine unmittelbare Vergleichbarkeit des Umgangs mit den beiden älteren Brüdern. Nur manchmal, wenn die Großen zu Hause sind, gibt es ein Murren und Kopfschütteln darüber, was der kleine Bruder alles darf, was bei ihnen noch ein absolutes Tabu gewesen ist.

Ich komme mir da immer sehr ertappt vor, kann nichts dagegen sagen, also lächle ich entschuldigend. Und ­versuche im Erziehungsalltag verstärkt Erfahrung und Effizienz ins Spiel zu bringen. Inzwischen weiß ich ja, dass vieles nicht so heiß gelebt wird, wie es davor erzogen worden ist. Und wenige, dafür konsequente Interventionen manchmal mehr bringen. Oder auch nicht. Was weiß ich.

("Die Presse Schaufenster" vom 21.10.22)

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