Die Ich-Pleite

Die Rechnung, bitte!

Carolina Frank
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Rechnungen sind das Einzige, das er von der Steuer absetzen könne. Als Selbstständiger profitiere er von der Steuerentlastung am wenigsten. ­Er und die Schwerver­diener.

„Ich gründe eine Selbsthilfegruppe für Menschen, die es leid sind, für eine Rechnung tagelang anzustehen“, sagt Hans. Ein Freund (Name von der Redaktion geändert). Hans will irgendjemanden für den Dienstentgang ­klagen. Und eine Entschädigung für Psychotherapiestunden will er auch. Er habe es satt, dass er seinen Rechnungen extra nachlaufen müsse. Zum Beispiel der fürs Klimaticket. Oder der für die ÖBB-Vorteilscard oder jener für die Jahreskarte der Wiener Linien. Wieso werde ihm die nicht automatisch zugeschickt? Dieses Gesetz solle ihm einmal jemand erklären!

Den ­Wiener Linien habe er wenigstens ein E-Mail schreiben können, das sogar jemand beantwortet habe. Mit angehängter Rechnung und vielen Dank für den Einkauf. Aber auch da habe er lieb darum bitten müssen. Aber bei der Rechnung für die ÖBB-Vorteilscard sei er nur bis zu einem Chatbot vorgelassen worden. Der habe ihm zwar fest versprochen, die Rechnung zu schicken. Aber dann habe er nie mehr etwas von ihm gehört. Mit dem Klimaticket sei es ähnlich gewesen. Der freundliche Algorithmus habe zwar auf Anfrage eine Rechnung geschickt. Aber nicht für das aktuelle Klimaticket, sondern für das abgelaufene. Ob er noch einmal erhört werde, wisse er nicht.

„Ich verstehe das nicht“, schimpft Hans. „Jede Marktfrau, die am Samstag ein paar Eier verkaufen will, muss eine Registrierkassa haben, aber die großen Unternehmen brauchen einem für ein 1095-Euro-­Klimaticket keine Rechnung zu geben! Dabei ist es das Einzige, das ich von der Steuer absetzen kann“, sagt Hans. Als Selbstständiger profitiere er ­übrigens von der Steuerentlastung am wenigsten. ­Er und die Schwerver­diener. Ich ­habe ihm versprochen, dass ich ­Werbung mache für seine Selbsthilfegruppe.

("Die Presse Schaufenster" vom 21.10.2022)

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