Interview

Demografieexperte Münz: „Eine wachsende Mehrheit der Jungen hat keine Geldsorgen“

„Es ist derzeit politisch schwer zu vermitteln, dass wir gezielt ausgebildete Arbeitskräfte anwerben müssten“, sagt der Bevölkerungsexperte Rainer Münz.
„Es ist derzeit politisch schwer zu vermitteln, dass wir gezielt ausgebildete Arbeitskräfte anwerben müssten“, sagt der Bevölkerungsexperte Rainer Münz.Die Presse/Clemens Fabry
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Wer soll in der alternden Gesellschaft unsere Arbeit machen? Zusätzlich Ältere, Frauen und Migranten, sagt Demografieexperte Rainer Münz. Über Potenziale auf dem Arbeitsmarkt.

Die Presse: Herr Münz, die Babyboomer gehen sukzessive in Pension, die jüngeren Alterskohorten sind schwächer besetzt, die Gesellschaft altert. Wer soll künftig unsere Arbeit machen?

Rainer Münz:
Zum Glück sind ja noch nicht alle Babyboomer in Pension. Die erste und einfachste Lösung ist, dass die Babyboomer, vor allem die qualifizierteren unter ihnen, etwas länger berufstätig bleiben. Es gehören alle Regelungen eingeschränkt, die einen Anreiz schaffen, vorzeitig in Pension zu gehen. Das gilt insbesondere für die geblockte Altersteilzeit. Denn die verringert trotz Arbeitskräftemangels die Zahl verfügbarer Arbeitskräfte – finanziert aus öffentlichen Mitteln. Es geht dabei nicht um Menschen, die ihr Leben lang Nacht- und Schwerarbeit geleistet haben. Sondern um jene Älteren, die weniger anstrengende, besser qualifizierte Jobs haben und diese auch noch ein paar Jahre länger machen könnten.


Sie appellieren auch an die Fairness: Die Babyboomer würden nun von jenen Regelungen zur Frühpension profitieren, die seinerzeit geschaffen wurden, um ihnen den Einstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern.

Die Babyboomer waren die geburtenstärkste Generation des 20. Jahrhunderts. Sie kamen von den späten 1950ern bis zum Ende der 60er-Jahre zur Welt und 20 Jahre später auf den Arbeitsmarkt. Um ihnen den Berufseintritt zu erleichtern, wurden für die deutlich kleinere Generation der damals über 50-Jährigen großzügige Pensionsregelungen geschaffen. Damit wurden Arbeitsplätze für die Babyboomer frei. Das haben diese über ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge mitfinanziert. Aber jetzt kommt hinter ihnen eine schmälere Generation. Es ist unfair, wenn die Babyboomer trotz ihrer erheblich höheren Lebenserwartung ebenfalls früh in Pension gehen und die nächste Generation überproportional belasten. Nicht ohne Grund sind die Pensionszuschüsse inzwischen der größte Posten im österreichischen Bundeshaushalt.In unserem Schwerpunkt zum österreichischen Nationalfeiertag versuchen wir, die vielen Potenziale der Republik zu beleuchten.

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Lange waren Frühpensionierungen Teil der Personalpolitik. Nun dreht sich der Markt laut Experten von einem „Arbeitgeber-“ zu einem „Arbeitnehmermarkt“. Die Betriebe müssten ein Interesse haben, Leute zu halten.

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