Interview

Ali Mahlodji: "Behandeln Menschen immer noch als Opfer"

Potenzial hat für Ali Mahlodji immer damit zu tun, ob man Dingen eine Chance gibt.
Potenzial hat für Ali Mahlodji immer damit zu tun, ob man Dingen eine Chance gibt.(c) Stanislav Kogiku
  • Drucken

Corona habe uns dazu gezwungen, neue Potenziale zu entdecken, meint Ali Mahlodji. Lehrer müssten als „Superstars“ wahrgenommen werden.

Die Presse: Sie beschäftigen sich beruflich intensiv mit individuellen und strukturellen Potenzialen. Wo gibt es denn in Österreich besonders viel Nachholbedarf?

Ali Mahlodji:
Wir behandeln Menschen immer noch als Opfer, sehen nicht, welche Chancen sich in ihrem Leben ergeben können. Menschen, die große Brüche erfahren haben, können in unserer unsicheren Welt besser navigieren. Jemand, der die letzten 40 Jahre keine Hürden hatte, hat es jetzt unfassbar schwer. Das größte Problem unserer Gesellschaft ist, dass wir keine Selbstwirksamkeit beigebracht bekommen. Unser ganzes Schulsystem ist darauf ausgelegt, uns auf eine Welt vorzubereiten, in der wir Sicherheit haben. Die Folge sind Erwachsene, die nicht damit umgehen können, wenn etwas anderes kommt. Viele schlittern in ein Burn-out. Das brauchen sie aber, um aus ihrem alten Denken herauszukommen.


Brauchen wir also Krisen, wie die Coronapandemie, um an ihnen zu wachsen?
In unserem Schwerpunkt zum österreichischen Nationalfeiertag versuchen wir, die vielen Potenziale der Republik zu beleuchten.

>>  Alle Artikel des „Presse"-Schwerpunkts


Mit den ersten Lockdowns haben Führungskräfte plötzlich das Potenzial ihrer Mitarbeiter entdeckt. Da wir gezwungen waren, uns anzupassen, sind Online-Meetings auf einmal das Normalste auf der Welt. Potenzial hat immer auch etwas damit zu tun, ob ich Dingen eine Chance gebe. Eine Krise wie ein Burn-out ist nichts anderes als das Zerbrechen eines Weltbilds. Enttäuschungen sind immer das Ende unserer Täuschung. So etwas wie Corona konnten wir uns bisher nicht vorstellen, weil wir in Europa auf einem großen „Wattebausch“ herangewachsen sind. Wir mussten für nichts kämpfen. Die, die einige Male an ihrem Leben zerbrochen sind, wurden darin trainiert, sich anzupassen. Ich bin dafür, dass wir den Menschen das ersparen und es ihnen stattdessen beibringen.


Was würden Sie als Bildungsminister anders machen?

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.