Regierungsteam

Tirol: Mattle beschwört "Neustart" mit Energie-Schwerpunkt

Mattles erster Stellvertreter ist SPÖ-Chef Georg Dornauer, der die Sozialdemokraten nach fast zehn Jahren zurück in die Regierung führte.
Mattles erster Stellvertreter ist SPÖ-Chef Georg Dornauer, der die Sozialdemokraten nach fast zehn Jahren zurück in die Regierung führte.APA/EXPA/JOHANN GRODER
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Mit einer Regierungsmehrheit von 21 Stimmen aus 36 Stimmen wurde der 59-jährige Mattle am Dienstag gewählt. Schwarz-Rot löst somit die bisherige schwarz-grüne Landesregierung ab.

Der neue Tiroler Landeshauptmann heißt Anton Mattle. Der 59-jährige bisherige Landesrat und ÖVP-Obmann und sein Regierungsteam aus Volkspartei und SPÖ erhielten bei der Konstituierenden Sitzung des Landtages am Dienstag 21 von 36 möglichen Stimmen - das entspricht der schwarz-roten Mehrheit. Mattle folgt auf Günther Platter, der Tirol mehr als 14 Jahren lang regiert hatte. In seiner ersten Rede vor dem Landtag beschwor Mattle einen "Neustart", man wolle "Tirol erneuern".

Mattle legte einen Schwerpunkt auf das Energie-Thema und Krisenbekämpfung. Man habe es zu einem wesentlichen Teil mit einer "importierten Inflation" bzw. gesteigerten Preisen zu tun. "Wir müssen die Betriebe zielgerichtet unterstützen, Armut verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft erhalten", gab der neue Landeschef in seiner rund 30-minütigen Rede die Richtung vor. Man müsse Energie sparen und gleichzeitig die Energiegewinnung ausbauen. Mattle verwies etwa auf den im Regierungsprogramm mit der SPÖ festgelegten "konsequenten Ausbau" der Wasserkraft sowie die Installierung von fünf Millionen Quadratmeter Photovoltaikanlagen im Bundesland.

Inhaltlich spulte der Landeshauptmann ansonsten wesentliche, bereits bekannte Eckpunkte des Koalitionsübereinkommens ab, etwa eine verpflichtende Vertragsraumordnung sowie die Baulandmobilisierungsabgabe. Beim Thema Transit/Verkehr warb er unter anderem für den Ausbau der Zulaufstrecken für den Brennerbasistunnel und die Etablierung eines "Slot-Systems". Die Nachbarn mahnte er, auch ihren Teil zur Bekämpfung des überbordenden Transitverkehrs beizutragen. Zudem verwies Mattle auf den paktierten Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. In diesem Bereich leite man einen "Paradigmenwechsel" ein.

FPÖ wirft Neo-Sicherheitslandesrätin Befangenheit vor

"ÖVP und SPÖ haben eine fortschrittliche, nachhaltige und soziale Partnerschaft vereinbart", so Mattle, denn: "Stillstand bedeutet Rückschritt." Darüber hinaus reichte Mattle der Opposition die "Hand zur Zusammenarbeit". Generell gelte es, das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik zurückzuerobern, denn er stelle eine Verringerung des Vertrauens "gegenüber Establishment und Politik" fest.

Schwarz-Rot löst die bisherige, seit dem Jahr 2013 regierende, schwarz-grüne Landesregierung ab. Mattles erster Stellvertreter ist SPÖ-Chef Georg Dornauer, der die Sozialdemokraten nach fast zehn Jahren zurück in die Regierung führte. Auch dieser hob in seiner Ansprache inhaltliche Weichenstellungen der Neo-Koalition hervor. Dabei ging er vor allem auf den Sozialbereich ein, in dem sich seiner Meinung nach das Motto der Koalition - "Stabilität in der Krise, Erneuerung für Tirol" - besonders deutlich zeige. So etwa das "klare Bekenntnis zur Mindestsicherung", die "künftig jederzeit nach oben angepasst" werden könne. Außerdem werde die neue Regierung erstmals "aktive Grund- und Bodenpolitik" betreiben, unterstrich der SPÖ-Chef, dem künftig unter anderem das Wohnbauressort unterliegen wird.

FPÖ-Landespartei- und Klubobmann Markus Abwerzger stieß sich indes an den "vielen weichen Formulierungen" im Regierungsabkommen und nutzte seinen Auftritt vor dem Landtag, um die "Ausgrenzungspolitik" der ÖVP seiner Partei gegenüber erneut scharf zu kritisieren. Mattle habe seine "persönliche Befindlichkeiten über den Wählerwillen gestellt" und sich dadurch "als Landeshauptmann eigentlich schon disqualifiziert". Kritik übte Abwerzger ferner an der Personalia der Neo-Sicherheitslandesrätin Astrid Mair (ÖVP) und dem Umstand, dass diese mit dem Noch-Generalsekretär im Innenministerium und künftigen Wieder-Tiroler-Landespolizeidirektor Helmut Tomac liiert sei. Er attestierte den "Anschein der Befangenheit".

Opposition: Regierung hat von Liste Fritz abgeschrieben

Dass die Raumordnung künftig im Verantwortungsbereich von Landesrat Josef Geisler (ÖVP), seines Zeichens auch Bauernbundobmann, ressortiert, stieß indes in oppositionellen Reihen auf heftige Kritik, etwa bei der Liste Fritz. "Ihr habt den Bock zum Gärtner gemacht", meinte Klubobmann Markus Sint. Die Regierung habe einiges von der Liste Fritz "abgeschrieben", vor allem was den Bereich leistbares Wohnen betreffe, behauptete Sint - darunter etwa die Einrichtung einer Kontrollgruppe, um illegaler Freizeitwohnsitze Herr zu werden. Trotz aller Kritik und "Enttäuschung" beteuerte Sint, dass er und die Seinen, die sich nach wie vor als "Kontrollpartei Nummer Eins" sähen, die "ausgestreckte Hand der Regierung" gerne annehme.

Auch der grüne Klubobmann Gebi Mair bot "konstruktive Kooperation" an und lobte den ein oder anderen "guten Ansatz". Die Grünen - erstmals seit 2013 nicht mehr in der Regierung vertreten - seien angesichts des Regierungsprogrammes jedenfalls "gerne in Opposition". Dieses lasse nämlich konkrete Maßnahmen in puncto Teuerung, Energiewende, Diversität und "Entlastung für Menschen in der Pflege" vermissen.

Als "zu wenig konkret" kritisierte auch Neos-Landessprecher und Klubobmann Dominik Oberhofer das Regierungsabkommen: "Immer dort, wo wirklich Würze gefragt ist, wird es schwammig", befand er. Außerdem fehle ein Jugendprogramm. Er wolle der Regierung aber eine 100-tägige Bewährungsfrist zugestehen und sie dann an Taten messen.

Drei Schwarze Neuzugänge

Apropos Ressorts: Im Zuge der konstituierenden Landtagssitzung wurde nicht nur Mattle als neuer Landeshauptmann angelobt, sondern auch dessen Regierung - in der die ÖVP, inklusive Mattle, mit fünf Mitgliedern und die SPÖ, inklusive Dornauer, mit drei vertreten ist. Bei Mattle ressortieren Finanzen, Gemeinden, Personal und Kultur. Dem bisherigen und nunmehr wieder Landeshauptmannstellvertreter Geisler sind Land- und Forstwirtschaft, Energie und eben Grundverkehr unterstellt. Personell warteten die Schwarzen mit drei Neuzugängen in die Regierung auf: Wirtschaftsbündlerin Cornelia Hagele (Gesundheit, Pflege, Bildung und Wissenschaft), die bisherige Kufsteiner Bezirkspolizeikommandantin Astrid Mair (neben Sicherheit auch Arbeitnehmerinteressen) und der Touristiker und bisherige Landtagsabgeordnete Mario Gerber (unter anderem Wirtschaft und Tourismus) gehören der neuen Regierung an.

Auf "roter" Seite übernimmt Dornauer Wohnen, Integration und Sport. Gewaltschutzexpertin und Juristin Eva Pawlata ist ab sofort für das Sozialressort und Frauen verantwortlich. Als dritten Landesrat holte die SPÖ einen weiteren Quereinsteiger von den ÖBB: Regionalmanager René Zumtobel ist Verkehrs- und Umweltlandesrat.

Mattle wird am Donnerstag von Van der Bellen angelobt

Gekürt wurde indes auch das Landtagspräsidium. Sonja Ledl-Rossmann (ÖVP) wurde erneut zur Tiroler Landtagspräsidentin gewählt. 21 Mandatarinnen und Mandatare votierten für sie, 15 für die "Oppositionskandidatin", Liste Fritz-Chefin Andrea Haselwanter-Schneider. Als erste Vizepräsidentin wurde - mit einer Mehrheit von 23 Stimmen - die Landesobfrau der JVP Tirol, Sophia Kircher, gewählt. Sie fungierte bereits seit Mai 2021 als Landtagsvizepräsidentin. Zweite Vizepräsidentin wurde mit einer Mehrheit von 23 Stimmen die Ex-SPÖ-Chefin und Lienzer Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SPÖ).

Für Mattle war mit der Landtagssitzung das Procedere zur Amtsübernahme noch nicht ganz beendet: Er reist am Donnerstag nach Wien, um von Bundespräsident Alexander Van der Bellen angelobt zu werden.

Die ÖVP hatte bei der Landtagswahl am 25. September eine empfindliche Niederlage erlitten, mehr als neun Prozentpunkte verloren und war bei knapp 35 Prozent gelandet. Ein prognostizierter Komplettabsturz unter 30 Prozent blieb jedoch aus. Die SPÖ gewann nur geringfügig dazu und verlor den zweiten Platz an die FPÖ.

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