Umfrage

Was Wienerinnen wollen

APA/HELMUT FOHRINGER
  • Drucken

Die Stadt Wien führte eine große Frauenbefragung durch. Rund 15.500 Wienerinnen nahmen teil. Große Themen sind die unbezahlten Arbeit, Aufstiegsmöglichkeiten und Sicherheit.

„Es darf nicht Kind oder Karriere sein“ - das war eine der 77.000 Wortmeldungen aus der Wiener Frauenbefragung „Wien, wie sie will". 15.500 Wienerinnen nahmen an der Studie im Auftrag der Stadt teil. Thematisiert wurden Bereiche, wie Bildung, Arbeit, Krisen und Gesundheit. Wenngleich die Mehrheit der Teilnehmerinnen mit der aktuellen Situation überwiegend zufrieden ist, gibt es ihrer Ansicht nach doch einiges, das geändert oder verbessert werden sollte.

Großes Problem: Unbezahlte Arbeit

Die Mehrheit der Befragten wünscht sich vor allem mehr Freizeit. Über die Hälfte der Befragten gibt an, eher nicht zufrieden mit ihrer verfügbaren Zeit zu sein. Grund dafür ist die sogenannte unbezahlte Arbeit, die immer noch zum überwiegenden Teil von Frauen geleistet wird. Gemeint sind hier die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Familienmitgliedern und die Hausarbeit. So gaben 56 Prozent an, dass sie die Kinderbetreuung „überwiegend selbst“ übernehmen.

Grundsätzlich zeigen sich die meisten großteils zufrieden mit dem Betreuungsangebot der Stadt Wien. Viele Teilnehmerinnen wünschen sich aber auch eine Verbesserung bzw. einen Ausbau, um - insbesondere auch in den Ferien und an Schließtagen - eine flächendeckende Betreuung zu gewährleisten.

Auch den Gender-Pay-Gap, also die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, haben sehr viele Teilnehmerinnen thematisiert. „Frauen sollten bei gleicher Qualifikation den gleichen Lohn erhalten wie Männer. Gehaltstransparenz muss in vielen Sektoren der Arbeit eingeführt werden“, war nur eine der 4000 Wortmeldungen zu diesem Thema.

Wunsch nach mehr Chancen in der Bildung

Die Zahl der Akademikerinnen ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen und macht mittlerweile fast ein Viertel aller Wienerinnen ab 16 Jahren aus. Bei betrieblichen Weiterbildungsmöglichkeiten und bei Aufstiegsmöglichkeiten wünschen sich die Teilnehmerinnen aber mehr Chancen. Fast die Hälfte sieht bei ersterem einen Verbesserungsbedarf. Bei den Aufstiegsmöglichkeiten sind es sogar knapp 60 Prozent. 

Konkret fordern viele Teilnehmerinnen familienfreundlichere Weiterbildungszeiten und mehr finanzielle Förderungen. Viele wünschen sich auch mehr und niederschwelligere Informationen über Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen. Die Online-Lehre nehmen viele als Entlastung wahr, da sie eine flexiblere Einteilung ermöglicht.

Psychische Belastung vor allem bei jungen Frauen

Die Gesundheitsversorgung ist für viele Wienerinnen durch die Corona-Pandemie wieder sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Hier wünschen sich die Teilnehmerinnen vor allem eine bessere Versorgung, zum Beispiel bei der Psychotherapie oder bei gewissen Vorsorgeuntersuchungen auf Krankenschein. Viele nehmen hierbei auch einen Versorgungsmangel vor allem bei Kassenärztinnen und -ärzten, aber auch von Pflegepersonal wahr, der sich unter anderem in langen Wartezeiten äußert.

Knapp zwei Drittel der befragten Wienerinnen empfinden ihren Gesundheitszustand als (sehr) gut, dabei spielen sozioökonomische Ressourcen wie Einkommen und Bildung eine wesentliche Rolle. Unter psychischen Beeinträchtigungen leidet ein Drittel der Befragten. Hier sind vor allem Frauen unter 30 Jahren stark betroffen. Körperliche Beeinträchtigungen treten erwartungsgemäß eher bei den älteren Frauen auf.

Viele Teilnehmerinnen äußerten den Wunsch, die Bedürfnisse von Frauen in Medizin und Gesundheitswesen mehr zu berücksichtigen. Das Thema Gendermedizin wurde oft explizit genannt. Viele fordern auch eine Enttabuisierung von psychischen Erkrankungen und mehr Aufklärungsarbeit in diesem Bereich.

Konfliktpotenzial in Pandemie gestiegen

In Bezug auf das Thema Krisen gibt rund ein Fünftel der Frauen an, dass das Konfliktpotenzial in der Familie während der Pandemie gestiegen ist. Bestehende Problemlagen und Ungleichheiten – auch was die Kinderbetreuung und Aufteilung der Hausarbeit betrifft – wurden dadurch nochmals verstärkt. Einige der Befragten merken auch an, dass körperliche Übergriffe und Gewalt während der Lockdowns zugenommen haben.

Schutzräume für von Gewalt betroffene Frauen, wie zum Beispiel Frauenhäuser, sind den Wienerinnen demnach ein großes Anliegen. Konflikte und Gewalt wurden auch stark in Zusammenhang mit dem öffentlichen Raum diskutiert. Die Wiener Frauen wünschen sich, sogenannte Angsträume zu beseitigen, in denen Frauen nicht sicher sind oder sich nicht sicher fühlen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind vielfältig: zusätzliche oder stärker sichtbare Sicherheitsorgane, mehr Beleuchtung auf Straßen und in Parks oder kürzere Intervalle von öffentlichen Verkehrsmitteln in der Nacht.

Fünftes Frauenhaus bis Ende des Jahres

"Mittlerweile sind deutlich mehr Frauen in Leitungspositionen als noch vor einigen Jahren. Man muss aber vorsichtig sein, dass man nicht stehen bleibt. Wenn man in andere Länder blickt, wird klar, dass Fortschritt bei Gleichstellungsfragen kein linearer Prozess sein muss“, sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bei der Präsentation der Ergebnisse am Dienstag.

„Mit den Ergebnissen der Frauenbefragung fällt jetzt der Startschuss für zahlreiche Maßnahmen, die wir als Stadt Wien in den nächsten Monaten und Jahren setzen werden“, kündigte Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaál (SPÖ) an. So soll bis Jahresende ein fünftes Frauenhaus mit 50 zusätzlichen Plätzen für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen gebaut werden. Das Projekt "Mädchen feiern Technik" soll junge Frauen frühzeitig für technische Berufe begeistern. Außerdem soll das Budget für Stipendien des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds (waff), die berufstätigen Frauen ein technisches Studium finanzieren, erhöht werden.

Details zur Umfrage

Die Frauenbefragung wurde in zwei Teilen umgesetzt:

Mittels Fragebögen wurden mehr als 3000 Wienerinnen quantitativ befragt. Der Fokus lag auf den Herausforderungen durch die Corona-Krise sowie auf der Zufriedenheit mit den Lebensbereichen.

Beim partizipativen Beteiligungsprozess konnte jede Wienerin mitmachen. Mehr als 12.000 Frauen und Mädchen nahmen teil und gaben insgesamt rund 77.000 offen formulierte Antworten. Der Fokus lag auf den Ansichten und Anregungen der Wienerinnen für die Zukunft.

Die Forschungsinstitute Ifes und OGM führten die Frauenbefragung im Auftrag des Frauenservice Wien durch.

Details zu den Ergebnissen findet man hier.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.