Leitartikel

Die Suche nach der Gaspreisbremse offenbart das europäische Dilemma

(c) REUTERS (CHRISTIAN HARTMANN)
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Die EU-Energieminister suchen einen gemeinsamen Weg aus der Energiekrise. Schon allein das lässt die Gaspreise sinken. Lösung ist keine in Sicht.

„Die Nerven liegen überall blank“, erzählte jüngst eine Stromkundin aus Niederösterreich. Nachdem sie beim Kundenservice seit Wochen nichts erreicht hatte, setzte sie sich ins Auto und besuchte die Zweigstelle des Landesenergieversorgers in der nächsten Bezirkshauptstadt. „Fast alle sind davongelaufen“, erzählte dort ein verzweifelter EVN-Mitarbeiter. Etwa 30 Leute seien zusätzlich eingestellt worden, um die vielen Kundenanfragen nach den jüngsten Tariferhöhungen entgegenzunehmen. Doch nach wenigen Tagen waren bis auf eine Handvoll alle wieder weg, hieß es. Beim aktuellen Arbeitskräftemangel habe es nämlich niemand nötig, sich den ganzen langen Tag am Telefon beschimpfen zu lassen.

Und wie es aussieht, geht es Stromkunden in anderen Bundesländern ähnlich. Bei den diversen Hotlines durchzukommen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Aber irgendwie hat man ohnehin das Gefühl, dass von Lösungen, Hilfestellungen, oder zumindest davon, einmal Klarheit zu schaffen, nirgendwo die Rede sein kann. Den Eindruck hatte man am Dienstag auch in Luxemburg, wo sich die EU-Energieminister berieten. Gaspreisbremse oder doch ein Deckel? Oder zumindest ein Preisband? Die Beteiligten schafften nicht einmal ein gemeinsames Wording. Klar schien zumindest, dass ein gemeinsamer Einkauf immer konkretere Formen annimmt. Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler begrüßt natürlich den gemeinsamen Gas-Einkauf auf EU-Ebene. Kann sie auch. Denn die österreichischen Gasspeicher sind ohnehin schon voll. Und die deutschen auch. Gerade Deutschland hat den gemeinsamen Einkauf monatelang blockiert. Jetzt hat man sich gnädigerweise umstimmen lassen. „Wir sorgen für gemeinsame Einkaufsmöglichkeiten, um die Preise runterzubringen“, sagte der ebenfalls grüne deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck salbungsvoll. Tatsächlich ist es Symbolpolitik. Zuerst jeder gegen jeden, wie schon zu Beginn der Coronapandemie, und dann großzügige Gesten.

Deutschland spielt im europäischen Solidaritäts-„Mikado“ ohnehin eine sehr spezielle Rolle. Anfang des Monats hat die Dreierkoalition in Berlin einen 200 Milliarden Euro schweren Schutzschirm zur Bekämpfung der Energiekrise beschlossen. Die Botschaft an alle anderen EU-Länder war klar und deutlich: Komme was wolle, wir können uns den Wahnsinn leisten.

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