Der Markt hat kein Gewissen

Darf man Geschäfte mit Schurkenstaaten machen – oder muss man nicht sogar?

Kommentar

Jetzt haben wir es also schwarz auf weiß: Österreich macht Geschäfte mit Weißrussland – wie spätestens seit dieser Woche jeder weiß, nicht gerade der Hort der Demokratie –, mit dem Iran – auch nicht für seine Menschenrechtsfreundlichkeit bekannt – und mit vielen anderen „Schurkenstaaten“.

Man kann jetzt zu Recht empört sein – oder realistisch: Wenn es darum geht, Gewinne zu erhöhen, sind Anstand und Menschenrechte eine vernachlässigbare Größe. Das sehen wir bei den Ölgeschäften in Nigeria, bei den Importen aus China, bei den Aufträgen an Firmen, die ihre Mitarbeiter so miserabel behandeln, dass diese bei kleinsten Fehlern in den Tod springen.

Als die OMV vor einigen Jahren ein Gasgeschäft mit dem Iran verhandelte, war der Aufschrei, vor allem der USA, groß. Man müsse das Land ächten. Als Aktionär hätte man die Firma freilich auf Geschäftsschädigung klagen müssen, hätte sie sich einen solchen Deal entgehen lassen.

Apropos USA: Das Land hält seit 1962 ein Embargo gegen Kuba aufrecht, weil es die Menschenrechte missachte. Lobenswert. Allein: Den Boykott gibt es nur deswegen, weil er wirtschaftlich zu verkraften ist. Würde Washington den gleichen Maßstab an China anlegen, wäre es morgen pleite.

Noch einmal: Über all das kann man zu Recht empört sein oder schlicht die Erkenntnis daraus ziehen, dass Kapitalismus kein Gewissen und keine Moral hat. Das müssen diejenigen haben, die mit ihren Einkäufen über die Umsätze dieser Firmen entscheiden.

norbert.rief@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)

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