Eine politische Heldentat waren die Bawag-Urteile nicht

(c) Michaela Bruckberger
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Bandion-Ortners erratisch-ineffiziente Performance als Justizministerin ist ein echtes Problem, aber sie hätte niemanden überraschen sollen.

Leitartikel

Unter den zehn Justizministern der letzten 40 Jahre gab es nur einen einzigen Richter: Claudia Bandion-Ortner. Vielleicht hat das einen Grund. Vielleicht ist es einfach keine gute Idee, jemanden zur Ministerin zu machen, die nach der nächsten Wahl wieder als kleine Richterin arbeitet – unter jenen Gerichtspräsidenten, deren Oberherrin sie als Ministerin war. Da hatten es all die Anwälte, Notare, Landesbeamten und Abgeordneten leichter. Oder davor die ob ihrer Expertise bestens ausgewiesenen Minister aus Höchstgerichten, wie zuletzt Hans Klecatsky (1966–70), der 39-jährig schon im Verwaltungsgerichtshof saß.

Aber es ist müßig, darüber zu räsonieren. Der schwere taktische Fehler der ÖVP, die Bawag-Richterin, lange bevor ihre Urteile Rechtskraft erlangen, zur Justizministerin zu machen, ist an dieser Stelle ausreichend dargelegt worden. Sollte heute der OGH die Richtersprüche der Justizministerin im Großen und Ganzen bestätigen, wäre dieser 23.Dezember 2010 eigentlich der früheste Termin, an dem Bandion-Ortner vernünftigerweise ihren Ministerjob hätte antreten dürfen.

Allerdings: Vernünftigerweise hätte sie diesen Job überhaupt nicht antreten sollen – im Interesse des österreichischen Justizsystems. Denn in dieser Regierung, bei der man sich mit zunehmender Verzweiflung fragt: Wo wollen die eigentlich hin?, ist Bandion-Ortner einer der verlässlichsten Produzenten ebenso staunenswerter wie fragmentarischer Erratik.

Das ist gerade, wenn es um das Recht geht, problematisch. Es gibt ja den aktuellen Megatrend der zunehmenden Verrechtlichung aller Lebensbereiche mit dem Resultat einer immer mehr einengenden Tugendgesetzgebung – vom Verbot der herkömmlichen Glühbirnen im Privathaushalt über die massive Einschränkung der Vertragsfreiheit durch Diskriminierungsverbote für alle und jeden bis hin zu Gefängnisstrafen für politisch unkorrektes Reden: das Rechtswesen als zunehmend zudringliche Besserungs- und Erziehungsanstalt. Hier wüsste man gern, wo die Regierung steht. Stattdessen bekommen wir eine seltsame Performance zu sehen, bei der zunächst alle europäischen Modetorheiten unbekümmert in Gesetzesvorschlägen oder Absichtserklärungen mitgemacht werden (etwa die skurrile Idee, „religiöse Motive“ als erschwerend ins Strafrecht aufzunehmen) – die dann in eine nicht vorhersehbare Warteschleife geschickt werden, bei der man nie sicher sein kann, dass sie nicht plötzlich doch wieder ins Parlament hüpfen. Hier wäre es eine Aufgabe der Justizministerin, für Klarheit in der Rechtsentwicklung zu sorgen, auch dort, wo die Materie selbst nicht in ihr Ressort gehört. Es geht hier um die Frage, ob man Grundsätzen folgt, und wenn ja, welchen.

Vielleicht noch schwerwiegender sind die Versäumnisse in der Rechtspflege. Bandion-Ortner hat es zwar fertiggebracht, die immerhin schon seit vier Jahren getestete Fußfessel Gesetz werden zu lassen. Aber in der Behebung der chronischen Ineffizienzen und Unzulänglichkeiten des Gerichtswesens hat sie sich bisher noch vornehm zurückgehalten – im Allgemeinen wie im Konkreten. Man kann die Stümperhaftigkeit, mit der derzeit der Mafiaprozess gegen die 13 Tierschützer geführt wird, durchaus als symptomatisch nehmen. Das kann in einer immer mehr sicherheitsbesessenen Welt noch lustig werden.

Oder die besonders heiklen Bereiche Korruptionsbekämpfung und Verfolgung der Wirtschaftskriminalität: eine Geschichte des Herumdilettierens, bei dem die großen – vor allem personellen – Defizite beider Bereiche nun gelöst werden sollen, indem man sie zusammenlegt. Dazu passt, wie zaghaft die unparteiische Ministerin mit Causen umgeht, die im Umkreis der Politik zu Hause sind – vom Grasser'schen Buwog-Gate bis hin zum Karawanken-Kriminalstadel.


Elsner hinter Gitter zu bringen, der doch schon von allen Parteien fallen gelassen wurde, als er noch in Südfrankreich saß, ist leider noch kein Ausweis für kompromissloses Trockenlegen der politökonomischen Sümpfe des Landes. Bandion-Ortners Schuldsprüche im Bawag-Prozess – das wird immer klarer – waren keine juridische Meisterleistung und keine Heldentat, sondern technisch ebenso fragwürdig und inhaltlich ebenso konform mit den Wünschen der Politik wie heute ihre Performance als Ministerin. Seiten 1, 2

E-Mails an: michael.prueller@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)

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