Paris

Der "EU-Motor" stottert: Redebedarf zwischen Deutschland und Frankreich

Ein Handshake für die Kameras am Mittwoch in Paris - gemeinsames Statement gab es keines, man lobte aber das Gespräch.
Ein Handshake für die Kameras am Mittwoch in Paris - gemeinsames Statement gab es keines, man lobte aber das Gespräch.via REUTERS
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In der Beziehung zwischen den EU-Großmächten Frankreich und Deutschland gab es zuletzt Sand im Getriebe. Bei einem Treffen von Präsident Macron und Kanzler Scholz demonstrierte man nun Zusammenhalt.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwoch dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris einen Kurzbesuch abgestattet. Die beiden trafen im Elyséepalast, dem Amtssitz des Präsidenten, zu einem Arbeitsessen zusammen. Die in der vergangenen Woche angekündigte gemeinsame Pressekonferenz wurde im Vorfeld abgesagt. Auch auf gemeinsame Statements zu Beginn des Treffens verzichteten die beiden.

Zumindest die Begrüßung war ausgesprochen freundlich. Ein fester und langer Handschlag, beide lachten zusammen, winkten gemeinsam in die Kameras. Viel mehr sollte es an diesem Mittwochnachmittag von Scholz und Macron aber zunächst nicht zu sehen geben. Was blieb, ist das gemeinsame Mittagessen im "Salon des Portraits" des Palastes - hinter verschlossenen Türen.

"Es war ein sehr intensives Treffen, ein sehr partnerschaftliches Treffen", hieß es am Mittwoch im Anschluss von deutscher Seite. Es sei eine strategische Selbstvergewisserung gewesen, dass man bei wichtigen Themen einer Meinung sei. Dies sei aus Sicht beider ein voller Erfolg gewesen.

Man werde auf dieser Grundlage nun wieder sehr gut und sehr intensiv an die Arbeit gehen, wurde betont. Ursprünglich hatte es statt des Arbeitsessens von Macron und Scholz einen deutsch-französischen Ministerrat in der Nähe von Paris geben sollen. Vergangene Woche wurde dieser dann verschoben - wegen Terminschwierigkeiten, aber auch wegen Differenzen in den Bereichen Energie und Verteidigung.

Das EU-Tandem zieht in unterschiedliche Richtungen

Es knirscht gewaltig in den deutsch-französischen Beziehungen. Den bisherigen Höhepunkt im deutsch-französischen Beziehungskrach lieferte Macron in der vergangenen Woche, als er Deutschland beim EU-Gipfel vor einer Isolation in Europa warnte.

Dabei hatte es zwischen Scholz und Macron eigentlich gut angefangen. Knapp ein Jahr ist es her, dass Scholz sich im Elyséepalast als der neue deutsche Bundeskanzler vorstellte. Er versicherte dem Präsidenten damals, dass er mit ihm für ein starkes Europa an einem Strang ziehen wolle. Und Macron wünschte sich ein ähnlich gutes Zusammenspiel mit Scholz wie mit dessen Vorgängerin Angela Merkel. "Wir haben den Willen manifestiert, zusammenzuarbeiten", fasste er das Ergebnis des ersten Treffens mit dem Neuen aus Berlin zusammen.

Von diesem Willen war heute nicht mehr viel zu spüren. Anfang vergangener Woche wurde eine gemeinsame Kabinettssitzung beider Regierungen in Fontainebleau bei Paris kurzfristig auf einen unbestimmten Zeitpunkt - möglichst im Jänner - verschoben. Das ist ein sehr ungewöhnlicher Schritt bei so engen Partnern. Und dann schloss sich Macron beim Gipfel in Brüssel auch noch dem allgemeinen Deutschland-Bashing wegen des Widerstands des Kanzlers gegen einen europäischen Gaspreisdeckel und wegen seines 200-Milliarden-Programms zur Abfederung der hohen Energiekosten an. Einige EU-Länder - inklusive Frankreich - sehen darin die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung. Scholz meint dagegen, Frankreich und viele andere Länder handelten auch nicht anders.

„Den Motor wieder zum Laufen bringen"

Seitdem sorgen sich viele um den Zustand der deutsch-französischen Beziehungen, die immer wieder als Motor Europas gelobt werden. Der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) gab dem Kanzler über die "Augsburger Allgemeine" mit auf den Weg mach Paris: "Der Bundeskanzler muss diese Reise dazu nutzen, den deutsch-französischen Motor wieder zum Laufen zu bringen."

Neben der Energie- und Finanzpolitik hakt es vor allem beim Thema Rüstung zwischen beiden Ländern - allen voran bei der Entwicklung des neuartigen Kampfflugzeugs FCAS von Dassault und Airbus. Wann die beiden Unternehmen zusammenfinden, ist offen. Während Deutschland mit 14 anderen Staaten ein besseres europäisches Luftverteidigungssystems aufbauen will, hält Frankreich sich raus, sorgt sich Berichten zufolge um ein mögliches Wettrüsten. Grund für die französische Zurückhaltung könnte aber auch sein, dass das Abwehrsystem aus Israel oder den USA kommen könnte - und das französisch-italienische System Mamba außen vor bleibt.

Kein Wort über Frankreich

Dem Elyséepalast dürfte auch nicht gefallen haben, dass Scholz die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen für Europa vor wenigen Wochen in seiner Prager Grundsatzrede zur Europapolitik nicht besonders hervorgehoben hat. In seiner jüngsten europapolitischen Rede auf dem Kongress der europäischen Sozialdemokraten in Berlin erwähnte er Frankreich gar nicht mehr.

Aber auch Macron macht gerne sein eigenes Ding. Nach dem Abgang Merkels kann er sich nun als der Erfahrenere neben dem Neuling Scholz an der Spitze Europas profilieren. Und das europäische Parkett bietet dem im Inland geschwächten Liberalen trotz aller Streitigkeiten eine eher dankbare Bühne. So preschte er etwa mit der Idee der Europäischen Politischen Gemeinschaft alleine voran, anstatt den Vorschlag, den Berlin später unterstütze, gemeinsam mit Scholz zu präsentieren.

Scholz nimmt die Differenzen zumindest in seinen öffentlichen Äußerungen gelassen. Auch nach dem denkwürdigen EU-Gipfel in Brüssel in der vergangenen Woche bezeichnete er die Beziehungen als "sehr intensiv". Frankreichs Regierungssprecher Olivier Véran meint: "Der Besuch des deutschen Kanzlers (...) bezeugt diese sehr lebendige Freundschaft und unseren Willen, gemeinsam voranzugehen."

(APA/dpa)

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