Interview: Leises Pröll-Lob für Strache

(c) Michaela Bruckberger
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Finanzminister Josef Pröll spricht über sein schwieriges Jahr. Er sieht keinen Emanzipationsbedarf von seinem Onkel, dafür bei Strache positive Veränderungen. Die Wahlen empfand er als schmerzlich.

Die Presse: 2010 war politisch nicht das Jahr des Josef Pröll.

Josef Pröll: 2010 war ein politisch schwieriges Jahr. Was die Herausforderungen und die Arbeit betrifft, war es mein Jahr. Was den politischen Applaus betrifft, war es nicht ganz mein Jahr.

Meinen Sie die verlorenen Wahlen oder das Budget?

Beides. Die Wahlen waren schmerzlich. Aber die Entscheidungsfindung beim Budget war schwierig, wo ich bei Weitem nicht alle meine Vorstellungen umsetzen konnte. Am Schluss steht der Kompromiss, der in dieser Koalition möglich war.

Bundeskanzler Werner Faymann meinte sinngemäß, die Erwartungen an das Budget seien leider zu sehr in die Höhe geschraubt worden. Damit meinte er wohl vor allem auch Sie?

Ich hatte auch größere Erwartungen an die Reformbereitschaft der Sozialdemokratie. Da hat es in Teilen der Sozialdemokratie vielleicht an Mut und Weitblick gefehlt. Jedenfalls war mir klar, es muss in Loipersdorf ein Ergebnis erzielt werden, um das Land zumindest in stabiler Lage zu halten. Die internationalen Ratingagenturen geben uns dabei auch recht: Wir haben eben erst gestern das Triple-A-Rating für unsere Budgetkonsolidierung erhalten. Damit sind wir eines der wenigen Länder in Europa, die so weit sind. Darauf können wir 2011 aufbauen. Mein Budgetkurs hat sich bestätigt.

Aufbauen? Das klingt, als würden Sie noch etwas planen. Die SPÖ will noch in dieser Legislaturperiode eine Steuerreform, mit der auch weitere Vermögenssteuern kommen wollen. Sind Sie verhandlungsbereit?

Das Konsolidierungspaket und damit der Budgetrahmen sind bis 2014 beschlossen und fixiert. Es hindert uns aber niemand daran, gemeinsam mit den Ländern weiter zu gehen und etwa beim künftigen Stabilitätspakt neue Einsparungen zu finden. Wir werden auch neue Wege bei den großen Themen wie der demografischen Entwicklung und der Generationen-Gerechtigkeit suchen müssen. Wir werden eine Politik machen müssen, die weiter denkt, als an die nächste Schlagzeile. Da werde ich nicht lockerlassen, wir haben zwei Jahre ohne Wahlen, die ideale Zeit für Reformen. Aber das Budget steht. Das wird nicht aufgemacht. Zumindest nicht mit uns.

Neue Wege in der Generationen-Gerechtigkeit? Das ist ein Euphemismus für Pensionsreform?

Wir müssen in aller Klarheit sagen: Die Menschen werden zum Glück immer älter, aber es gibt daher immer weniger Beitragszahler ins System. Das wird nicht nur den Jungen auf den Kopf fallen, es ist absehbar, dass es in nicht zu weiter Zukunft auch für die Pensionisten selbst zum Problem wird. Das darf man nicht schönreden, da kann man nicht tatenlos zuschauen. Und auch bei der Pflege brauchen wir dringend eine Lösung, dazu sind wir mittels Einrichtung eines eigenen Pflegefonds auch bereit.

Es gibt nicht wenige Beobachter, auch in Ihrer eigenen Partei, die der Meinung sind, Sie müssten sich von Ihrem Onkel, dem Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, endlich politisch emanzipieren, wenn Sie das Thema Bundesländer ernsthaft angehen wollen.

Ich habe mit Erwin Pröll viele Konflikte gehabt.

Das wäre mir nicht aufgefallen.

Denken Sie an den – medial übertrieben dargestellten – Konflikt um die ÖVP-Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl. Das war eine entscheidende Frage für die Partei.

Sie haben doch immer bestritten, dass es da einen Konflikt zwischen Ihnen und Erwin Pröll gab?

Ich sagte ja gerade, es wurde medial dann übertrieben. Aber bei der prinzipiellen Frage, ob die ÖVP überhaupt einen Kandidaten aufstellt oder nicht, waren wir unterschiedlicher Meinung. Ich sage nur: Es gab genug Konflikte. Wir haben keine Notwendigkeit der Emanzipation voneinander. Wir haben professionelle Politik zu betreiben – jeder aus seiner Position heraus. Bei der Verwaltungsreform ist leider der Druck draußen, nachdem Bundeskanzler Faymann erklärt hat, wir sollten davon nicht zu viel erwarten.

Bei diesem Thema gibt es quasi eine ÖVP-Innensicht und die Außensicht der anderen: Sie glauben, eine Reform besteht darin, den Ländern noch mehr, also etwa die Kompetenz über die Bundeslehrer zu geben. Die andere Meinung, die etwa überregionale Medien vertreten, wäre, dass die Länder eher Kompetenzen abgeben. Dass dort gespart werden sollte.

Genau darüber verhandeln wir beim Stabilitätspakt: Der wird automatisch zu einem Spardruck in den Ländern führen. Aber manche Budgets in Vorarlberg, Oberösterreich und auch Niederösterreich führen bereits jetzt schon die Ausgaben zurück. Im rot-grünen Wien zeichnet sich das nicht ab, dort gibt es eine Rekordverschuldung, dass man sich nur wundern kann. Es gibt unterschiedliche Zugänge der Länder.

Aber es gibt einen einheitlichen Zugang der Länder, dass die Krankenhausfinanzierung vom Bund kommt, die Kompetenzen über die Spitäler aber in den Ländern liegen. Das muss Sie nervös machen, wo diese Schulden doch nun Maastricht-relevant werden?

Das ist ein Thema der Statistik.

Das Auswirkungen hat. Sie haben doch gerade die Ratingagenturen angeführt. Die interessiert das. Warum unterstützen Sie nicht den Gesundheitsminister in seinen Bemühungen?

Alois Stöger hat einen schweren strategischen Fehler gemacht: Man kann nicht die Partner in Ländern und Gemeinden mit Konfrontationskurs und Absolut-Standpunkten provozieren. So funktionierten Verhandlungen nicht. Da wurde viel angerichtet in den vergangenen Monaten zwischen Ländern und Bund. Das ist die Lehre 2010.

Die Landeshauptleute sind also wie die mächtigen Bären, die man nicht reizen darf, sondern streicheln muss. Sie sind doch sonst nicht so zimperlich.

Da liegen Sie völlig falsch. Es geht nicht um Reizen oder Streicheln. Es gibt eine klare Kompetenzverteilung: Will man die ändern, muss man verhandeln, sonst kann man sie nicht ändern. Das ist die Realität.

Ich nehme zur Kenntnis: Sie trauen sich öffentlich nicht, Sparpotenzial in den Ländern zu benennen.

Doch, natürlich. Die Länder wissen das genau, aber Wien erhöht gerade seine Sozialausgaben für Mindestsicherungs-Bezieher. Da müssen wir klar Schiff machen, so kann es nicht weitergehen.

Nach dem Budget gibt es ein Bild: Die ÖVP gibt die Familien auf und verteidigt nur die Bauern als letzte Bastion.

Das Bild, das Sie da zeichnen, ist aber falsch. Wir haben mit den Familienleistungen 2011 ein deutlich höheres Niveau als 2008. Wir haben den Pensionisten viel genommen. Mittelfristig trifft es auch Bauern.

Das Argument ist nicht ganz redlich. Auch Pensionisten und Bauern liegen deutlich über 2008.

Das stimmt. Aber die Einsparungen bei diesen Gruppen werden nicht wahrgenommen. Wir fahren bei Familien die Ausgaben nicht unverhältnismäßig zurück. Ich habe gesagt: Alle müssen einen Beitrag leisten. Da habe ich Wort gehalten.

Ihre Zusammenarbeit mit der SPÖ wurde 2010 schwerer. Denken Sie manchmal an einen anderen Partner, etwa die FPÖ?

Ich habe zur FPÖ kein Naheverhältnis. Aber 2010 hat vielen bei uns und auch mir die Augen geöffnet, was politisch möglich ist und was nicht. Das muss man ganz leidenschaftslos sehen. Ich pflege die Beziehung zur FPÖ so wie zu anderen Koalitionsparteien auch.

Sie haben Heinz-Christian Strache einst im Hooligan-Sektor gesehen?

Ich sehe keine Notwendigkeit, diese Aussage zu revidieren. Aber ich bemerke, dass er mehr reflektiert, als er es vor ein paar Monaten getan hat. In den Inhalten und im Stil.

Das heißt, eine Koalition mit der FPÖ wird wahrscheinlicher.

Das beschäftigt mich nicht. Ich will, dass 2011 die Trendumkehr für diese Koalition bringt.

Auf einen Blick

Josef Pröll (Jahrgang 1968) ist seit Dezember 2008 Finanzminister und Vizekanzler, seit November 2008 Bundesparteichef der ÖVP. In allen Umfragen hat er im vergangenen Jahr deutlich verloren, während sich sein Koalitionspartner, Bundeskanzler Werner Faymann, erholen konnte. Die großen Versprechen zur Budgetkonsolidierung und umfassenden Staatsreform konnte Pröll nicht einlösen. Wegen der SPÖ, wie er sagt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)

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