Büchners Melancholie des Müßiggangs

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Das Wiener Vorstadttheater lässt „Leonce und Lena“ von Insassen einer Haftanstalt spielen, in einer Inszenierung von Manfred Michalke. Oft liegt Melancholie über dieser nachdenklichen Darbietung.

Sie sind keine professionellen Schauspieler, aber mit vollem Ernst bei der Sache. Sie haben ihren Text genau gelernt und werden offenkundig von einem sehr erfahrenen Regisseur geführt. Das ist noch lange keine Garantie für einen gelungenen Theaterabend, aber wer bei der Premiere von „Leonce und Lena“ am Dienstag im Kabelwerk zuweilen nicht traurig war, wenn über Lebensüberdruss, das Sinnlose und schließlich auch die Liebe gesprochen wurde, der muss ein hartes Herz haben.

Denn Regisseur Manfred Michalke vom Wiener Vorstadttheater hat, assistiert von Christina Glinz, ein sicherlich riskantes Unternehmen gewagt. Acht Insassinnen und Insassen der Justizanstalt Wiener Neustadt, von 20 bis 60, zum Großteil noch jung, spielen Georg Büchners (1813–1837) kurze, dreiaktige Komödie. Nur ihre Vornamen werden genannt, in diesem kreativen, von der Stadt, Ministerien und Privaten geförderten Gefängnistheater, das sich als Gesellschaftstheater versteht. Ein Jahr lang wurde geprobt.

Büchner, der soziale Revolutionär, wäre wahrscheinlich aus politischen Gründen ins Gefängnis gekommen, hätte er sich nicht durch Flucht entzogen. Er lebte kurz und in Extremen. Sein Lustspiel von den zwei Königskindern, die sich durch reinen Zufall finden, weil sie voreinander und einer Zwangsheirat fliehen, hat auch sehr dunkle Seiten. Er schrieb es 1836 für einen Wettbewerb. Vergeblich, das Manuskript langte zu spät ein.

Schüchtern, kauzig, engagiert

Tristesse klingt auch bei dieser Inszenierung an, wenn Prinz Leonce (Christian) monoton über den Müßiggang sinniert, wenn er seine Geliebte Rosetta (Doris) lakonisch abserviert und vor dieser resoluten Person geradezu flieht. Da wirkt dieser Prinz schüchtern, so wie auch sein Vater; König Peter (Michael) ist ein verschlossener, kauziger Typ. Würdevoll im Deklamieren und dadurch auch witzig sind der Haushofmeister (Günter) und der Präsident des Staatsrates (Walter). Der Vagabund Valerio hingegen, anarchischer Prinzenerzieher und künftiger Minister (ein weiterer Christian), wagt es, aus sich herauszugehen und sogar mit dem Publikum zu spielen.

Oft aber liegt rettungslose Melancholie über dieser nachdenklichen Darbietung, besonders bei Prinzessin Lena (Margot) und ihrer Gouvernante (Eveline) ist das zu spüren, und das passt auch genau zum Stück, das mit einem fantastischen Befreiungsschlag Valerios endet, mit einer Utopie, die zu viel an Last von den Menschen nimmt. Großer Applaus bei der Premiere, auf den vom Ensemble mit leuchtenden Augen reagiert wurde. Dieses engagierte Theaterprojekt ist auch als Starthilfe für die Darsteller gedacht.

Termine: Kabelwerk, Oswaldgasse 35a, 23.Dezember, 19. bis 22.Jänner 2011, 19.30Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2010)

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