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Eine restriktive Geldpolitik ist unabdingbar

Birgit Brunsteiner führte durch den Talk@Raiffeisen, an dem Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ und via Internet Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld teilnahmen.
Birgit Brunsteiner führte durch den Talk@Raiffeisen, an dem Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ und via Internet Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld teilnahmen.(c) Raiffeisenlandesbank OÖ
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Podiumsdiskussion. Im Talk@Raiffeisen diskutierten Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandes-bank Oberösterreich, Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ, und Professor Lars Feld über die Zukunft des Euros.

Wir erleben gerade die höchste Inflation seit 70 Jahren und stehen vor einer drohenden Rezession. Ganz Europa ächzt unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen. Aus diesem Anlass lud die Raiffeisenlandesbank am 19. Oktober zum Talk@Raiffeisen ins RaiffeisenForum in Linz, um mit Experten der Frage nachzugehen, wie sich die gegenwärtige Situation auf die Wirtschaft, aber auch auf den Euro auswirkt.

Birgit Brunsteiner begrüßte als Moderatorin den Gastgeber Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, und Stefan Pierer, Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich (IV OÖ). Live via Internet war Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld zugeschaltet. Der Universitätsprofessor für Wirtschaftspolitik und Ordnungsökonomik der Universität Freiburg und Leiter des dort ansässigen Walter-Eucken-Instituts gab in einer Keynote einen Einblick in die aktuelle Wirtschaftslage in Europa. Selten herrschte eine derart schwierige Ausgangslage wie jene, in der wir uns gerade befinden. „Weil viele Krisen kurz hintereinander auftreten und sich teilweise überlappen“, sagte Feld. Der Unterschied zur Finanzkrise 2008 und der Corona-Pandemie ist, dass die Inflation hinzugekommen ist und die Geld- und Finanzpolitik stärker aufeinander achten müssen.

Schon vor Jahren prophezeite der Wirtschaftsexperte dunkle Wolken am europäischen Wirtschaftshimmel. „Meine Hoffnung war, dass die frühzeitige Warnung zu einer Politik führt, die drohende Probleme abmildert, aber das fand nicht statt und daher sind meine Befürchtungen genau wie vorhergesagt eingetroffen“, sagte Feld und spricht damit vor allem die zweistellige Inflationsrate an. „Wir werden auch 2024 eine Inflation deutlich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent haben“, so seine aktuelle Vorhersage. „Europa befindet sich in einer Zeitenwende mit übermäßiger Verschuldung und Inflation.“

Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich
Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich(c) Raiffeisenlandesbank OÖ

»„Eine Finanzkrise ist nicht zu erwarten, weil die Banken aus der letzten Finanzkrise gelernt haben und durch die neuen Vorschriften gut kapitalisiert sind.“«

Heinrich Schaller

Die Treiber der hohen Inflation sind vielfältig. Einer der größten ist natürlich die Energiekrise. „Beim Energiepreis zeigt sich das Inflationsprofil immer besonders stark, weil eine relativ hohe gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf ein relativ niedriges Gesamtangebot stößt“, so Feld. Durch die Corona-Maßnahmen ergaben sich Verknappungen auf Teilarbeitsmärkten und das führte zu weitreichenden Lieferengpässen. Hinzu komme Energieverknappung. „Problematisch wird es, wenn ein Staat mit seinen wirtschaftspolitischen und finanzpolitischen Maßnahmen die Nachfrage hochhält und mit viel Geld weniger Produkte gejagt werden“, sagte Feld. Inflation sei die logische Folge einer verfehlten Finanzpolitik. Die EZB hat die Staatsverschuldung über Anleihenkäufe refinanziert. Dadurch konnten auch verschuldete Länder eine expansive Politik betreiben. Das führt dazu, dass die Kerninflation überall in die Höhe geht.

Inflation bleibt hoch

Die EU-Mitgliedsstaaten haben die Inflationsprognosen heuer stark nach oben korrigiert. Laut Expertenprognosen wird sie heuer über neun Prozent erreichen und auch 2023 knapp um die neun Prozent bleiben. Die Industriellenvereinigung OÖ erwartet sogar eine Inflationsspitze von 13 bis 14 Prozent im Frühjahr 2023. „Erst danach wird sie langsam absinken“, sagte IV OÖ-Präsident Stefan Pierer, der vor allem kritisierte, dass die Maßnahmen der einzelnen europäischen Länder kontraproduktiv zur Inflation wirken. „Zudem kommt die EZB mit den Zinssteigerungen nicht voran, daher haben wir in Europa eine deutlich schlechtere Ausgangssituation als in die USA, Asien oder Indien.“ Auch Raiffeisenlandesbank OÖ Generaldirektor Heinrich Schaller unterstrich, dass die Inflationsrate in den kommenden Jahren nicht so schnell auf zwei Prozent – das angestrebte EZB-Ziel – absinken werde. Man müsse sich an eine Inflation um die sechs Prozent gewöhnen.

Es ist eine Inflation, die von der Angebotsseite getrieben wird. „Eine Rezession, wie sie jetzt bevorsteht, wird zwar die Nachfrage etwas dämpfen und damit auch den Inflationsdruck reduzieren, aber solang es beim Angebot keine Verbesserungen gibt, hilft das kaum weiter und die Rezession wird wenig Erleichterung bei der Inflation bringen“, lautete Felds Prognose. Er warnte schon Anfang des Jahres vor einer Stagnation, in die mittlerweile der Euroraum gerutscht ist.

Pierer und Schaller sehen eher eine Rezession als eine Stagnation – und eine kräftige Rezession bei hoher Inflationsrate wäre nochmals schlimmer, denn das würde auch die Arbeitslosigkeit forcieren.
Für die Expertenrunde gibt es nur eine Lösung: Es braucht eine restriktive Geldpolitik.

Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ
Stefan Pierer, Präsident der IV OÖ(c) Raiffeisenlandesbank OÖ

»„Das Thema Inflation wird sich noch verschärfen, weil wir die Preissteigerungen erst 2023 mit voller Wucht zu spüren bekommen und auch die Lohn-Preis-Spirale weiter getrieben wird.“«

Stefan Pierer

Schwacher Euro

Der Euro ist zur Weichwährung mutiert. Anzulasten ist das mitunter der Geldpolitik der EZB. „So senkte sie zum Beispiel die Zinsen für alle EU-Mitgliedsstaaten massiv nach unten, um für alle Länder ein gleiches Feld zu schaffen, aber dieser Plan ging nicht auf“, sagte Schaller. „In hochverschuldeten Staaten oder Unternehmen ist die Bonität geringer und das muss berücksichtigt werden. Stattdessen hat die EZB falsche Anreize geschaffen und für Verzerrungen gesorgt.“ Der Zinssatz ist der Parameter für unternehmerische Tätigkeit. Schaller betonte: „Man kann die Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft nicht außer Kraft setzen. Die logische Folge ist ein schwacher Euro.“

Wenn die Geldpolitik restriktiver wird, steigen die Zinsen. „Das hat Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte“, erklärte Feld, der überzeugt ist, dass südeuropäische Länder zunächst nur relativ moderate Auswirkungen zu befürchten haben, weil nach der Eurokrise die Möglichkeiten der Niedrigzinsphasen in vielen europäischen Ländern genutzt wurden, um sich langfristig zu refinanzieren. „Das bedeutet, dass sich die Zinsen nur langsam in den Budgets bemerkbar machen“, sagte Feld. „Die Probleme, die uns im Euroraum drohen, sind vor allem welche, die an der Schnittstelle Finanzmarkt/Staaten stattfinden werden“, meinte der Professor und unterstrich: „Es ist notwendig, die Inflation mit aller Macht zu bekämpfen. In Form einer restriktiven Geldpolitik, die von der Notenbank kommen muss.“ Bedeutet: Die EZB muss den Realzins schrittweise anheben. Tut sie das nicht, verfestigt sich die Inflation und bleibt auch über 2024 hinaus, ist Feld überzeugt und fordert auch eine expansive und nachfrageorientierte Finanzpolitik.

Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg
Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg

»„Es ist notwendig, die Inflation mit aller Macht zu bekämpfen – und das muss die Notenbank durch eine restriktive Geldpolitik ausführen.“«

Lars Feld

Deindustrialisierung droht

Rund ein Viertel der heimischen Betriebe kann einen Stopp in der Produktion aufgrund der hohen Energiekosten nicht mehr ausschließen. Auch von Bankenseite ist laut Heinrich Schaller der Rückgang der Aufträge in der Industrie zu spüren. „Wir stellen uns darauf ein, dass die Insolvenzquote bei den Unternehmen nach oben gehen wird.“ Gleichzeitig versucht die Bank, den Kunden beratend zur Seite zu stehen und in Szenarienrechnungen zu analysieren, wo es anzusetzen gilt. „Wichtig ist Liquidität. Bei den großen Unternehmen ist das gegeben, aber bei KMU muss nachgeholfen und nachgeschärft werden“, so Schaller.

Energieintensive Betriebe sind besonders gefährdet und Oberösterreichs Industrie ist sehr energieintensiv. Das könnte zu einer großen Insolvenzwelle führen, die vor allem KMU treffen werde. „Große, globale Unternehmen reagieren, indem sie Kapazitäten in Länder verlagern, in denen Energie anders bepreist wird. Dieses Szenario findet bereits schleichend statt“, so Pierer, der sich über die falschen Maßnahmen der EU-Politik im Zuge des Ukraine-Konflikts ärgert. „Wenn man Energie als Druckmittel einsetzt, braucht es auch einen Werkzeugkoffer, der für die Reaktionen zur Verfügung steht.“ Bedingt durch nationale Alleingänge und fehlendes Energiemanagement auf europäischer Ebene, habe das zu einer kompletten Konsumentenverunsicherung geführt.

Lars Feld sieht den Fehler in der unkoordinierten EU-Energiepolitik. Bei Eingriffen der Politik in den Markt befürchtet der Wirtschaftsexperte, dass man z. B. bei Festlegungen von Höchstpreisen bei Gas nicht weit kommen werde, weil so eine Politik zu Gas-Mangellage führe, weil zu wenig Angebot gegeben ist. „Wichtig wäre, darauf zu achten, dass das Gasangebot durch die Maßnahmen nicht eingeschränkt wird.“
In jedem Fall wird es notwendig sein, auf Energieseite rasch eine europäische Lösung zu finden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Wunden überschaubar bleiben.

Information

Die Podiumsdiskussion ist eine Kooperation von „Presse“ und Raiffeisenlandesbank OÖ. Mit finanzieller Unterstützung.

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