Analyse

Irans ungebrochene Protestwelle

Massenprotest in der Stadt Saqqez. Tausende zogen zum Grab von Jina Mahsa Amini.
Massenprotest in der Stadt Saqqez. Tausende zogen zum Grab von Jina Mahsa Amini. AFP
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Das iranische Regime nutzt den Anschlag auf einen schiitischen Schrein für seine Erzählung von „gefährlichen Feinden“, die das Land zerstören wollten. Doch die Demonstrationen gehen weiter.

Die Warnungen des Obersten Führers waren deutlich: Die Hintermänner des Attentats „werden mit Sicherheit bestraft werden“, sagte Ali Khamenei in einer Botschaft, die am Donnerstag über das iranische Staatsfernsehen verbreitet wurde. Und er rief die Bevölkerung zu Einigkeit auf. „Wir alle haben die Pflicht, dem Feind und seinen Agenten entgegenzutreten.“ Khamenei bezog sich auf den Anschlag, der am Mittwoch auf einen Schrein in der Stadt Schiras verübt worden war. Ein Bewaffneter hatte die schiitische Pilgerstätte überfallen und das Feuer eröffnet. Mindestens 15 Menschen starben.
Irans Regime steht massiv unter Druck. Seit Wochen demonstrieren Iranerinnen und Iraner im ganzen Land gegen die diktatorische Herrschaft der Islamischen Republik. Denn immer mehr Menschen – quer durch alle Ethnien und Bevölkerungsschichten – sind das theokratische, korrupte System leid, das den Iran seit 1979 fest im Griff hält. Das Regime versucht jedoch in seiner Propaganda, die Proteste als Werk äußerer Feinde darzustellen, die mithilfe von „Verrätern“ im Iran das Land zerstören wollten. Und für diese Erzählung versucht es auch, den jetzigen Anschlag in Schiras zu nutzen.

Die Führung in Teheran macht „Takfir-Terroristen“ für das Blutbad verantwortlich. Takfir ist eine Praxis, mit der Extremisten anderen Muslimen absprechen, richtige Muslime zu sein. Das wenden vor allem sunnitisch-jihadistische Gruppen wie al-Qaida oder der sogenannte Islamische Staat (IS) an. Sie beschuldigen jeden, der nicht ihrem eng vorgegebenen Kurs folgt, „vom Glauben abgefallen“ zu sein. Vor allem der IS verfolgt Schiiten kollektiv als Häretiker, die gemäß seiner bizarren Ideologie ausgelöscht werden müssten. Das schiitische Regime des Iran und der IS gelten damit als Erzfeinde.

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