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Branchentalk

Macht Werbung Kinder und Jugendliche dick?

Expertenrunde: Philipp Bodzenta (Coca-Cola Österreich), Petra Lehner (Arbeiterkammer), Eva Komarek (Styria Media Group), Caroline Meyer (Schülerunion NÖ) und Michael Straberger (Werberat).
Expertenrunde: Philipp Bodzenta (Coca-Cola Österreich), Petra Lehner (Arbeiterkammer), Eva Komarek (Styria Media Group), Caroline Meyer (Schülerunion NÖ) und Michael Straberger (Werberat).(c) Roland RUDOLPH
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Werbung von Lebensmitteln kann das Ernährungsverhalten der Kinder und Jugendliche beeinflussen. Es bedarf Verantwortung werbender Unternehmen sowie Förderung der Gesundheitskompetenz.

Laut Statistik Austria sind rund 3,7 Millionen der über 15-jährigen Personen in Österreich übergewichtig – rund 17 Prozent davon sogar adipös. Auch eine weitere Statistik ist erschreckend: Rund 80 Prozent der übergewichtigen Kinder bleiben auch im Erwachsenenalter zu dick. Welchen Beitrag leistet die Werbung dazu? Tragen die Werbebotschaften von Lebensmitteln mit hohen Fett-, Zucker- und/oder Kalorienwerten Mitschuld am starken Übergewicht der heimischen Bevölkerung? Darüber diskutierte Eva Komarek, General Editor for Trend Topics der Styria Media Group, als Moderatorin des Branchentalks mit einer Expertenrunde, bestehend aus Petra Lehner, Senior Expert Food & Health bei der Arbeiterkammer, Caroline Meyer, Landesobfrau der Schülerunion NÖ, Philipp Bodzenta, Public Affairs Director von Coca-Cola Österreich und Michael Straberger, Präsident der Gesellschaft zur Selbstkontrolle der Werbewirtschaft (Werberat).

Es ist kein Geheimnis, dass in Softdrinks zum Teil viel Zucker enthalten ist, der bei übermäßigem Konsum ungesunde Folgen für den menschlichen Körper haben kann. Aber inwiefern fördert die Werbung den übermäßigen Konsum? „Die Daten haben sich in den letzten Jahren verdichtet. Aktuelle Metaanalysen zeigen, dass es einen Kausalzusammenhang zwischen Werbekonsum und Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen gibt“, sagte Petra Lehner. Wer sitzt, bewegt sich nicht. „Eine Studie der MedUni Wien beziffert die Bildschirmzeit von 12- bis 17-Jährigen mit bis zu 7,5 Stunden pro Tag. Das geht natürlich zulasten der Bewegungszeit. Aber ganz klar wird das Ernährungsverhalten auch durch Lebensmittelwerbung beeinflusst“, so Lehner. Coca-Cola ist sich seiner gesellschaftlichen Verantwortung durchaus bewusst. „Grundsätzlich bespielen wir keine Kanäle, die von unter 13-Jährigen konsumiert werden. Diese Selbstregulierung nehmen wir sehr ernst“, sagte Philipp Bodzenta von Coca-Cola Österreich. Das bedeutet: Hat ein Segment eine Zielgruppe von mehr als 30 Prozent unter 13-Jährige, fällt dieses Segment für Coca-Cola-Werbung aus. Das gilt auch für den Social-Media-Bereich und Influencer sowie fürs Sponsoring. Kinderfernsehen, TikTok usw. – für Coca-Cola eine werbefreie Zone. „Wir sind hier sehr konsistent und transparent und werden regelmäßig überprüft.“ Zum Coca-Cola-Portfolio zählen auch viele kalorienarme oder kalorienfreie Produkte, die aber dennoch nicht für diese Zielgruppe beworben werden. Die Selbstregulierung bringt dem Getränkehersteller durchaus schmerzhafte Einschnitte – so wurde der beliebte Coca-Cola-Cup, ein Fußball-Cup für bis 12-Jährige freiwillig eingestellt. „Wenn man sich selbst beschränkt, bietet das aber durchaus auch Chancen, Neues auszuprobieren“, sagte Bodzenta und verwies auf den Coca-Cola-Unified Cup, der für Vielfalt und Inklusion steht.
„Der Werberat ist als gemeinnützige Organisation genau dafür da, die österreichische Werbewirtschaft so zu stimulieren, dass sie möglichst ethisch-moralische Werbung betreibt“, sagte Michael Straberger und lobte die Verantwortung, die immer mehr namhafte Unternehmen übernehmen. „Wenn uns Konsumentenbeschwerden erreichen, dann wird das von rund 200 Experten beurteilt und bei Verstoß gegen den Ehrenkodex des Werberates kommt es auch zum Stopp der Werbeausstrahlung“, sagte Straberger. „Wir sind durch die Novelle der audiovisuellen Mediendienstrichtlinie vom letzten Jahr dazu verpflichtet, Informationen zu sammeln, ob Werbemaßnahmen nach Aufforderungen auch tatsächlich zurückgezogen wurden. Es gibt nur wenige schwarze Schafe und es ist ein positives Echo, dass Unternehmen von sich aus nach Konsumentenbeschwerden Werbemaßnahmen zurückziehen. Renommierte Marken können es sich heute nicht mehr leisten, Konsumentenbeschwerden zu ignorieren.“

Verantwortung statt Verbote

Von einem Werbeverbot hält Straberger wenig. „Wenn man Werbung für bestimmte Zielgruppen komplett verbietet, besteht die Gefahr, dass es bald Werbeverbote für bestimmte Produktgruppen gibt.“ Der vernünftigere Schritt ist, die Sensibilität für gesunde Ernährung zu stärken.

Coca-Cola richtet also keine Werbung an Kinder unter 13 Jahren und wirbt nicht in Schulen. Für Jugendliche kann verantwortungsbewusste Werbung hingegen sinnvoll sein.

In jedem Fall braucht es vor allem den Diskurs über Werbung, der bereits zu Hause stattfinden sollte. Nicht nur die Wirtschaft muss Verantwortung tragen – in erster Linie muss das Gesundheitsbewusstsein jedes Menschen frühzeitig gefördert werden und hier sieht vor allem Jugendvertreterin Caroline Meyer großen Aufholbedarf. „Wichtig ist, dass bereits im Elternhaus Verantwortung übernommen wird, das betrifft ein gesundes Ernährungsverhalten genauso wie viele weitere Themen wie u. a. Finanzbildung, Umweltbewusstsein, Medienkompetenz.“ Aber auch die Schule trägt Verantwortung. „Es ist zwar schön und gut, wenn es keine Werbung für bestimmte Lebensmittel gibt, aber es sollte beim Konsum auch attraktive, gesunde Alternativen in der Schule geben. Zum Beispiel vegane, vegetarische Produkte.“ Auch im Bildungssystem muss dem gesunden Lebensstil mehr Platz eingeräumt werden. „Ziel von Schule ist, die Jugendlichen auf die Zukunft vorzubereiten, damit man fähig ist, ein langes, gesundes, selbstbestimmtes Leben zu führen. Dazu braucht es Lehrkräfte, die das Thema Gesundheitskompetenz mit Leidenschaft unterrichten, Experten, die regelmäßig Schulvorträge machen und die aktuellsten Forschungserkenntnisse, um am Puls der Zeit zu sein und die Thematik entgegen aller negativen Trends in ein positives Licht zu rücken und gesunde Ernährung attraktiv für Kinder und Jugendliche zu machen“, so Meyers eindrücklicher Appell. „Die Gesundheitskompetenz hat es heute schwerer, sich in den Aktivitäten und im Lifestyle durchzusetzen – weil so viele ungesunde Muster existieren, gegen die man sich widersetzen müsste.“

Nicht unwesentlich ist, dass ärmere und bildungsfernere Schichten von Übergewicht und Adipositas stärker betroffen sind. „Corona hat das noch verstärkt und auch den sozialen Gradienten noch deutlicher zum Ausdruck gebracht“, sagte Lehner. Umso notwendiger, dass Schulen ihren präventiven Effekt verstärken, damit auch Kinder davon profitieren, die es aufgrund ihres sozialen Status ohnehin schwer haben.
Gleichzeitig müssten Werbungen für gesunde Produkte attraktiver werden. Petra Lehner präsentierte im Branchentalk Studienergebnisse, wonach in einer Laborsituation Testpersonen in einem Film Werbeclips von gesunden und Lebensmittel mit hohen Fett-, Zucker- und/oder Kalorienwerten zu sehen bekamen. Nach dem Film konnten die Kandidaten aus den vorgestellten Produkten wählen. Es zeigte sich, dass die Werbung für gesunde Lebensmittel in den meisten Fällen beim Konsumenten nicht so wirksam ist. Für Meyer sei es jedoch ein Irrglaube, dass gesunde Lebensmittel für Jugendliche prinzipiell unattraktiv wären. „Es hängt viel davon ab, wie die Dinge beworben werden“, sagte die Landesobfrau der Schülerunion NÖ und brachte als Beispiel die Werbung einer überteuerten Wassermarke, die als begehrenswert und Luxusgut präsentiert wurde und damit bei der Jugend besonders punkte. „Es liegt nicht am Produkt oder Gesundheitsgrad, ob Marketing mehr oder weniger erfolgreich ist, sondern an der zielgruppengerechten Vermittlung.“ Dementsprechend wichtig sei es auch, auf Vorbilder zu setzen. „Jugendliche sind empfänglich für Influencer, die enorme Auswirkungen auf Kauf- und Konsumentscheidungen und auf tiefgründige psychologische Entwicklungen haben, die auch mit Mental Health einhergehen“, sagte Meyer und sieht darin auch ein Problem, weil sich viele Influencer dieser Macht nicht bewusst wären.
Andererseits lässt sich diese Macht auch positiv nutzen. Das beweisen Themen wie Fitness, Selfcare, Selbstakzeptanz usw. „Die Bewegung Body Positivity würde es ohne Social Media und Influencer nicht geben“, behauptete Meyer. „Influencer haben großen Einfluss, dessen sie sich bewusst sein müssen, damit er zu positiven und starken Bewegungen führen kann.“

Aufs Augenmaß kommt’s an

Straberger setzte ebenfalls auf die Sensibilisierung für gesunde Ernährung. „Man soll durchaus Genussmittel konsumieren, aber wichtig ist, ein Bewusstsein zu besitzen, was gut und was schlecht für den Körper ist.“ Auf die Dosis kommt’s an. Diese Message vermittelte auch Bodzenta: „Egal, von welchem Lebensmittel, auf das richtige Augenmaß kommt es an. Wenn man den verantwortungsvollen Umgang nicht lernt, kann man auch mit gesunden Lebensmitteln über die Stränge schlagen.“ Deshalb plädiert die Arbeiterkammer auch für eine Regulierung. „Education braucht Regulation“, so Lehner. „Momentan haben wir nur die Selbstbeobachtung.“ Die Arbeiterkammer ist europaweit verbunden mit Verbraucherschutz- und Gesundheitsorganisationen und setzt sich dafür ein, dass die Werbung für Kinder unter 12 Jahren gelenkt wird. „Lenkung statt Verbote.“ Und hier ist der europaweite Weg am zielführendsten – mit Höchstwerten für ungünstige Inhaltsstoffe, die auch für die Werbung festgelegt werden müssen. „Damit bestimmte Lebensmittel mit zu hohem Fett-, Zucker- und Salzgehalt für diese Altersgruppen nicht beworben werden“, sagte Lehner. „Diese Lenkung bedeutet, dass gesunde Lebensmittel durchaus beworben werden sollen, weil sie positiven Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Kinder haben.“
Straberger erwartet auch eine Lebensmittelkennzeichnung, wies aber darauf hin, dass eine Kennzeichnung ohne Sensibilisieren nicht zielführend ist.

Gesellschaftlich positionieren

„Marken und Unternehmen müssen sich rechtfertigen für alles, was sie tun, um bei uns als Konsumenten gut anzukommen“, sagte Meyer, die überzeugt ist, dass diesbezüglich die Generation Z teilweise sogar fordernder wäre als Erwachsene und einen enormen Drang nach Informationen verspüre. „Eine Marke, die sich gesellschaftlich nicht positioniert und zum Beispiel nicht gegen Rassismus ausspricht, oder bei gesellschaftlichen Thematiken nicht am Puls der Zeit im Hier und Jetzt ist, hat bei Jugendlichen schlechte Karten.“
Das Schlusswort der Diskussion gehörte Philipp Bodzenta: „Unser Zugang ist, dass wir uns bemühen, bestimmte Richtlinien vorzuleben, sie einzuhalten, nachzuschärfen und ständig weiter zu verbessern. Sowohl durch Selbstregulierungen in der Werbung, aber auch durch eine restriktive Politik, etwa: Keine Werbung in Schulen. Wir hoffen, damit eine Vorbildwirkung geben zu können.“

Einig darüber: Auf die richtige Dosis kommt‘s an.
Einig darüber: Auf die richtige Dosis kommt‘s an.(c) Roland RUDOLPH

Information

Die Podiumsdiskussion ist eine Kooperation von „Presse“ und der Coca-Cola GmbH. Mit finanzieller Unterstützung.


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