Vision

Wie sich der Ort zum Arbeiten ändert

Die Presse
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Neben Eltern-Kind-Räumen und recycelbarer Innenarchitektur könnten Büros ohne Anlagen für Heizung und Kühlung auskommen. Wie das (Home-)Office künftig auszusehen hat.

„Durch die Pandemie ist das Arbeiten von Zuhause aus zu einem Hygienefaktor geworden“, ist Christian Korunka, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wien, überzeugt. Diente es bis vor zwei Jahren noch als Lockmittel für erfolgreiche Unternehmen, um Arbeitskräfte zu finden, ist heute niemand mehr besonders aufgeregt, wenn von Home-Office die Rede ist.

Davon ist auch Ingrid Heschl, HR-Leiterin bei Microsoft, überzeugt. Denn: Die Pandemie habe einen Wunsch zur Notwendigkeit verwandelt. „Aus unserem jährlichen Work Trend Index wissen wir, dass sich 73 Prozent der Beschäftigten weltweit weiterhin die Möglichkeit für Remote-Arbeit wünschen. Aber parallel dazu suchen 67 Prozent wieder mehr persönlichen Kontakt zu ihren Mitarbeitenden.“ Diesem Widerspruch versuche man bei Microsoft mit hybriden Arbeitsmodellen entgegenzuwirken.

Zwischen Kühlung und Kindern

„Wir haben Räume kreiert, um die Integration zwischen realer und digitaler Welt zu vereinen und den Bias der räumlichen Nähe zu verringern“, sagt sie. Es werde am Hive Vienna gearbeitet – einem intelligenten Meetingraum, indem alle Teilnehmenden gleichrangig repräsentiert werden. Jeder werde so gezeigt, als ob er virtuell zugeschaltet ist. Das Unternehmen habe bereits 2011 angefangen, sich mit virtuellem Arbeiten auseinanderzusetzen und 2017 „Teams“ gelauncht, ohne das virtuelles Arbeiten kaum noch vorzustellen ist.

Kaum vorzustellen ist es auch, Bürohallen ohne Heiz- und Kühlungsmechanismen zu konzipieren. In der Seestadt Aspern soll ein Bürokomplex entstehen, der ohne Kühlen und Heizen auskommt – und auch kein CO₂ ausstößt. Hinter dem Konzept 2226 stecke eine Bauweise, die unter anderem durch 80 Zentimeter dicke Ziegelmauern eine ständige Raumtemperatur zwischen 22 und 26 Grad sicherstellen soll.

Dieses Konzept wurde von Soravia und Baumschlager Eberle weiterentwickelt und mit Technologie auch ein Stück „intelligenter“ gemacht. Sensoren messen die Raumtemperatur, den CO₂-Gehalt der Luft und die Luftfeuchtigkeit. Dementsprechend werden die Fensterflügel geöffnet und geschlossen, sagt Projektleiter Gerhard-Emanuel Rieger. In Ausnahmefällen kommt eine Deckenkühlung zum Einsatz, die mit Strom der Fotovoltaikanlage betrieben wird. In Anlehnung an die Energiekrise sei erneut ein Wunsch zur Notwendigkeit geworden.

Wenn Kinder die Eltern in die Arbeit bringen

Umkehrt geht es im Unternehmen New Work SE zu, das einen Wunsch als Notwendigkeit wahrgenommen hat: Ein eigenes „Kinderzimmer“ ist in der ehemaligen Zentrale der Bank Creditanstalt eingezogen, um arbeitende Eltern in Notsituation zu unterstützen. Auf rund 25 m2 wurden zwei Schreibtische für die Erwachsenen und eine niedrige Anrichte für die Kinder aufgebaut. Obwohl es in diesem Raum oft laut und wild zugehe, sei es ein Zeichen dafür, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen, sagt Marketingmanager Markus Tesak. Zu betreuen seien die Kinder zwar, da alle Altersklasse willkommen sind, allerdings melde man sich am Foyer an, um eine Überlastung zu vermeiden. Daraufhin trage man die Verantwortung, zu betreuen oder Betreuungspersonal zu finden.

Neben dem Eltern-Kind-Office habe man auch eine Gaming Gallery eingebaut (die Vermutung, dass viele Kinder hier aufzufinden sind, liegt nahe) oder einen Ruheraum, um zu meditieren oder gar zu schlafen. Auf die Frage, ob man das nicht lieber doch zuhause machen wolle, ist Julian Schmidinger, zwiegespalten: „Zum einen freut man sich im Feierabend darauf heimzufahren. Aber zwischen anstrengenden Besprechungen kann es angenehm sein, hier Ruhe zu finden.“

Verstellbare Tische, Noise-Cancelling-Kopfhörer, Hunde am Arbeitsplatz und recycelbare Schalldämmung an den Wänden sind für das Unternehmen keine Neuigkeit, sondern auch zur Selbstverständlichkeit – oder wenn man so will, zu Hygienefaktoren geworden.

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