Cergy, Frankreich
Expedition Europa

Die utopische Vorstadt der Annie Ernaux

Die Literaturnobelpreisträgerin lebt seit beinahe 50 Jahren in Cergy, einer auf dem Reißbrett entworfenen „Neuen Stadt“ bei Paris.

Als Schreiberling, der zwölf Jahre in einer kommunistischen Platten-bausiedlung gelebt hatte, elektrisierte mich bei der Bekanntgabe der heurigen Literaturnobelpreisträgerin der Wohnort: Die 82-jährige Französin Annie Ernaux lebt seit fast fünf Jahrzehnten in Cergy, einer auf dem Reißbrett entworfenen „Neuen Stadt“, 40 Kilometer über Paris. Ernaux bewohnt zwar keinen Wohnblock, sondern ein Hanghäuschen mit Blick auf die Teiche von Cergy-Neuville, die Wolkenkratzer von La Défense, den ganzen Großraum Paris und auf den bei Nacht beleuchtet hervorstechenden Eiffelturm. Die Stadt der Zukunft wird aber im Dokumentarfilm „Annie Ernaux – Cergy – J'ai aimé vivre là“ ein „idealer Ort zur Entfaltung unserer kollektiven Utopie“ genannt. Ernaux sagt selbst: „Ich habe gerne dort gelebt, an einem kosmopolitischen Ort, (. . .) in einer französischen Provinz, in Vietnam, im Maghreb oder in der Elfenbeinküste.“ Seit Jahrzehnten erzählt man uns das Gegenteil über die Pariser Banlieue. Ich klinkte mich einen Nachmittag lang in diese Utopie ein.

Es regnete und tröpfelte fortwährend. Ein Teilgeneralstreik – gefordert von Ernauxs Lieblingspolitiker Jean-Luc Melénchon, der über ihren Nobelpreis „geweint“ hatte – stand bevor. An einer Tankstelle warteten genau 50 Autos auf Sprit, an einer anderen auf der Autobahn circa 150.

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