Mit „Anfang des Krieges. Tagebücher aus Kyjiw“ hat die Autorin und Fotografin Yevgenia Belorusets ein Protokoll des Krieges verfasst. Mit Berichten und Fotografien dokumentiert sie darin das Leben nach dem russischen Überfall.
Wer die „Nachrichten von Yevgenia“, die die ukrainische Schriftstellerin, Künstlerin und Fotografin Yevgenia Belorusets im Frühling 2022 für rbb-Kultur aufgenommen hat, nachhört, hört eine Stimme, die ruhig, aber bewegt spricht, für die deutschen Radiohörer vom Kriegsalltag in der ukrainischen Hauptstadt berichtet, nicht in grammatikalisch perfektem Deutsch und mit Akzent gesprochen.
Wohl auf diesen kurzen Texten aufbauend, aber nicht wortgleich, sind nun die Texte, die der Band „Anfang des Krieges. Tagebücher aus Kyjiw“ versammelt. Das Deutsch darin ist makellos, die mit jeweiligem Datum überschriebenen Tagebucheinträge sind umfangreicher, die beschriebenen Beobachtungen und Szenen ausführlicher und erheblich mehr, und natürlich fehlen beim Medium Buch auch Timbre und Tonfall der Autorinnenstimme. Im Falle von „Anfang des Krieges“ fallen diese Unterschiede erstaunlich ins Gewicht. Die Erlebnisse und Beobachtungen, die Belorusets, Jahrgang 1980, darin schildert, sind zwar immer noch unerhört und für die ganze Welt von Relevanz, aber die Unmittelbarkeit und die Emotionalität, die die kurzen, mündlichen, imperfekten „Nachrichten von Yevgenia“ im Radio noch hatten, erreicht der perfektionierte schriftliche, 191 Seiten umfassende Text nicht.
Die Zeitspanne, die „Anfang des Krieges“ umfasst, reicht vom 24. Februar 2022 bis zum 29. Juli 2022. Zusätzlich findet sich eingangs ein Kapitel für die Zeit vom 16. März 2014 bis zum 16. Juli 2022, das deutlich macht, wie spät Europa diesen Krieg im Gegensatz zur ukrainischen Bevölkerung erst richtig wahrgenommen hat. Die Entscheidung Belorusets', die jahrelang teils in Berlin, teils in Kiew gelebt hat und sich zu Kriegsbeginn in Kiew befindet, zu bleiben, wird im Buch am Rande reflektiert, sie hat auch mit ihren Eltern zu tun, die in Kiew leben und nicht sofort flüchten wollen. Also wird ihre Ausreise mehrfach verschoben, auf dem Bahnhof gekaufte Tickets für die eigens für die Ausreisewilligen eingerichtete Zugverbindung gibt sie zweimal zurück.