Netflix-Serie

„Young Royals“: Ein Königreich für diese Liebe

(c) Netflix (Robert Eldrim/Netflix)
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Monarchie-Serien gibt es viele. Die ungeschminkte schwedische Serie „Young Royals" macht vieles anders: Sie vereint imperiales Drama mit queerer Romantik.

Prinz Wilhelm hat also Pickel. Na und? Blöder ist das mit dem Cut auf seiner linken Wange, das hat er sich in der ersten Szene der schwedischen Serie „Young Royals“ bei einer Auseinandersetzung in einem Stockholmer Nachtclub zugezogen. Die Königin, Wilhelms Mutter, verfrachtet ihn deswegen auf das Eliteinternat Hillerska. Dort sei er unter „Seinesgleichen“, erklärt sie, was vor allem heißt, dass nicht nach außen dringt, was er anstellt.

Auf Anhieb verliebt sich Wilhelm in Hillerska in seinen Mitschüler Simon, Sohn einer Alleinerzieherin und dank eines Stipendiums an der Schule. Dieser erwidert Wilhelms Gefühle. Eine Umarmung. Finger, die ineinander greifen. Küsse. Kleider, die auf den Boden geworfen werden. Und die Monarchie gerät ins Wanken in diesem kleinen, blau getünchten Internatszimmer. Oder eher: vor dem Fenster. Dort filmt ein Mitschüler die Liebenden und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Clip seinen Weg ins Internet findet.

»Finger, die ineinander greifen. Küsse. Und die Monarchie gerät ins Wanken.«

Wie soll das Königshaus umgehen mit dem Sex-Video, in dem der Prinz glücklicherweise kaum erkennbar ist? Was macht man mit einem Kronprinzen, von dem man nicht annehmen kann, dass er in einer konventionellen Beziehung Kinder zeugen wird? Am Ende von Staffel eins singt der Franzose Elias: „Let's start a revolution/How beautiful it is.“ Entsagt Wilhelm für Simon dem Thron?

Mit den Auswirkungen des Skandals beschäftigt sich die zweite Staffel der Netflix-Serie, die am 1. November veröffentlicht wird. Sie ist nicht ganz so dicht und überraschend wie die erste, aber immer noch großartig. Staffel eins, im Sommer 2021 erschienen, hat kaum für mediales Echo gesorgt. Nur eine Handvoll Kritiken zählt die Film- und Serien-Bewertungsplattform „Rotten Tomatoes“. In den sozialen Medien gibt es indes einen regelrechten Hype. Auf der Webseite Tumblr wird jede Folge analysiert, samt Unschärfen in der Übersetzung. Diverse Posts beschäftigen sich damit, wie oft sich die Figuren die Hände waschen. Der Trailer zu Staffel zwei wurde innerhalb der ersten Stunde allein auf Youtube rund 50.000 Mal abgerufen. Die Kommentare unter den Postings des skandinavischen Twitter-Accounts von Netflix kennen seit Monaten nur ein Thema: „Young Royals“.

Warum wird die Serie so geliebt? Zum guten Teil liegt die Faszination an den beiden Hauptfiguren, deren Darsteller ähnlich jung sind wie die Figuren. Edvin Ryding, erst 19 Jahre alt, verkörpert Wilhelm mit einer Fragilität, die ihresgleichen sucht, und schafft es trotzdem, den Ausbrüchen des widerwilligen Thronfolgers Glaubwürdigkeit zu verleihen. Omar Rudberg, auch erst 23, tänzelt als Simon an der Grenze zwischen selbstbewusst und unsicher.

(c) Netflix (Robert Eldrim/Netflix)

Ganz nah an den Figuren. Oft sieht man ihre Gesichter in Großaufnahme, ungeschminkt. Hauptautorin Lisa Ambjörn und die federführende Regisseurin Rojda Sekersöz haben sich für einen nahezu naturalistischen Look entschieden – so völlig anders als die hochgelobte britische Royal-Serie „The Crown,“ die vom fantastischen Drehbuch von Peter Morgan profitiert. Beide Serien erzählen von der dunklen Seite des royalen Märchens: vom Unglück, der Königsfamilie anzugehören. „The Crown“ in glatten distanzierten Bildern, während die Kamera (Niclas Berggren) in „Young Royals“ ganz nahe dran ist an den Figuren. Rudberg und Ryding werden nicht müde, ihre „intimacy coaches“ zu loben und zu betonen, wie sicher und wohl sie sich in den Liebesszenen gefühlt haben. Das ist auch zu sehen: Ein Nacken, auf dem Gänsehaut aufsteigt, als ein Finger darüber streicht. Eine Nase, die in dunklen Locken versinkt. Der Klang des Atmens. Das fühlt sich echt an und neu, selbst wenn der Plot stellenweise vorhersehbar ist. Es gibt einen Bösewicht, Drogen. Aber selbst mit Antagonist August (Malte Gårdinger) hat man Mitgefühl. Wenn der frustriert ist, stopft er sich rohen Spinat rein.

Homophobie spielt eine sehr untergeordnete Rolle – im Gegensatz zu Netflix' großem LGBTQ-Erfolg „Heartstopper“, einer gefühlvollen queeren Jugendserie. Das ist gewollt: „Was wir zu sagen versuchen, ist, dass Simon und Wilhelm kein Problem damit haben, etwas anderes zu sein als heterosexuell“, erklärt Rudberg im Gespräch mit der „Presse“. „So sollte es sein!“ Die Probleme entstünden vielmehr durch den Druck, der von außen auf ihnen laste. Wilhelms sexuelle Orientierung bleibt bewusst undefiniert.

Ein gewisser Trend zu LGBTQ-Themen in Serien und Filmen lässt sich nicht abstreiten. Sie füllen eine Lücke, meint der Schauspieler: „Als ich ein Kind war, habe ich nie einen Film oder eine Serie mit homosexuellen Figuren gesehen. Es gab nichts. Das ist traurig. Dabei ist es so wichtig zu zeigen, dass Teenager so sind und sich so fühlen. Das ist nicht seltsam oder neu. Das war immer schon da“. Die Serien und Filme erzählen auch glaubwürdige Geschichten: Es gibt genug Hürden für diese Liebenden, sie müssen sich keine ausdenken (wie Vampirismus, eine Sado-Maso-Affinität etc.) oder die Romanzen in ein historisches Setting überführen („Bridgerton“).

Die realen skandinavischen Königshäuser haben „Young Royals“ übrigens schon eingeholt: In den Niederlanden und in Schweden können Thronfolger auch gleichgeschlechtlich heiraten (die Kinder-Frage wird im Anlassfall geklärt). Monarchien sind durchaus wandlungsfähig – wenn es ums eigene Überleben geht.

Royale Serien – und Queere

„Young Royals“. Die schwedische Serie, 2021 erschienen, geht am 1. November auf Netflix in die zweite Staffel. In den sozialen Medien wird sie bereits aufgeregt erwartet.

„The Crown“. Peter Morgans Serie über das britische Königshaus kehrt am 9. November mit einer fünften und vorletzten Staffel auf Netflix zurück.

„Heartstopper“. Die gefühlvolle Liebesgeschichte zwischen zwei britischen Schülern war ein Hit auf Netflix und bekommt eine zweite Staffel.

Lesbische Liebe. Noch fehlt eine große, gelungene Serie über Frauen, die einander lieben. Die Fantasyserie „First Kill“ hat Netflix nach der ersten Staffel abgesetzt.

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