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Immobilienpreise legen Vollbremsung hin

Gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien wurden um 0,2 Prozent billiger (Archivbild).
Gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien wurden um 0,2 Prozent billiger (Archivbild).(c) Getty Images (Spencer Platt)
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Jahrelang kannten die Preise für Wohneigentum nur eine Richtung: nach oben. Nun dreht sich der Wind. Was das für die Finanzierung bedeutet.

Immobilien bleiben ein Spiegel der Zinspolitik. Nichts hat in der Vergangenheit die Immobilienpreise mehr befeuert als die jahrelange Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Finanzierungen waren extrem günstig. Nun bringen steigende Zinsen und strengere Regulierung ein abruptes Ende des Immobilienbooms.

1. Handelt es sich um einen Zwischenstopp oder eine Trendwende?

Seit 18 Jahren klettern die Preise für Wohnimmobilien in Österreich Jahr für Jahr, Quartal für Quartal ungehalten in die Höhe. Das geht aus dem entsprechenden Preisindex der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hervor. Doch nun dreht sich der Wind. Im dritten Quartal legten die Preise zwar zu, aber so minimal, dass Analysten die Situation als „preisliche Vollbremsung“ bezeichnen. „Das ist als Zeitenwende und nicht als Zwischenstopp auf dem Gipfelsturm der vergangenen Jahre zu sehen“, sagt Raiffeisen-Analyst Matthias Reith.

So verteuerte sich Wohneigentum zwischen Juli und September österreichweit nur mehr um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal – zwischen April und Juni waren es noch 3,5 Prozent. Die Preise in Wien allein stiegen im dritten Quartal sogar nur um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Gebrauchte Eigentumswohnungen in Wien wurden überdies um 0,2 Prozent billiger. „Angesichts hoher Baukosten fiel die preisliche Vollbremsung bei Neubauwohnungen nicht ganz so ausgeprägt aus wie bei gebrauchten Wohnungen“, erklärt Reith.

„Eine Phase länger anhaltender oder tieferer Preiskorrekturen“ erwartet der Analyst jedoch nicht. Reith geht aufgrund bisheriger Verteuerungen für 2022 von einem Preiszuwachs von knapp elf Prozent aus. „Die Prognose, dass sich Wohneigentum im Gesamtjahr 2022 abermals um mehr als zehn Prozent verteuern dürfte, lebt dabei ausschließlich von der Vergangenheit, sprich den hohen Preiszuwächsen im ersten Halbjahr.“

2. Werden Immobilien durch den ausbleibenden Preisanstieg leistbarer?

Nicht unbedingt. Nur wenn man schon genügend Geld zur Verfügung hat. Selbst wenn die Preise weiter fallen würden, die Kredite werden erheblich teurer. Das gilt für variable und neu vergebene Wohnbaukredite.

Wie wird ein variabler Kredit verzinst? Er setzt sich aus einem fixen Zinsaufschlag der Bank zuzüglich eines variablen Referenzzinssatzes zusammen. Dazu dient meist der Drei-Monats-Euribor. Hierbei handelt es sich um die Kondition, zu der sich Banken untereinander Geld leihen. Der Drei-Monats-Euribor hat von minus 0,6 Prozent auf inzwischen mehr als 1,5 Prozent massiv zugelegt. Das ist der höchste Stand seit elf Jahren.

»„Bis Anfang kommenden Jahres dürften variable Kreditzinsen auf gut vier Prozent ansteigen“«

Raiffeisen-Analyst Matthias Reith

Andreas Ederer, Leiter der Sparte Immobilienfinanzierung beim Vergleichsportal Durchblicker, sorgt sich um „die massive Mehrbelastung“ für viele Haushalte. Insgesamt haften noch 134,7 Mrd. Euro an Wohnbaukrediten aus, von denen etwa 30 bis 40 Prozent variabel verzinst werden. Bei einem variablen Kredit in Höhe von 300.000 Euro mit einer Laufzeit von 30 Jahren würden bei einer Zwei-Prozent-Verzinsung monatlich 1113 Euro fällig. Sollten die Zinsen um 1,5 Prozentpunkte steigen, erhöht das die Kreditrate um 329 Euro.

Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. Am Donnerstag hat die EZB abermals einen großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten gewagt. Damit liegt der Leitzins nun bei zwei Prozent. „Bis Anfang kommenden Jahres dürften variable Kreditzinsen auf gut vier Prozent ansteigen“, prognostiziert Immobilienexperte Reith. „Während ein derartiges Niveau zuletzt 2009 verzeichnet worden ist, sucht die Geschwindigkeit des Zinsanstiegs ihresgleichen.“

3. Was bedeutet der Richtungswechsel auf dem Immobilienmarkt für die Kreditvergabe?

Zuletzt hatte die Nationalbank vor einer Überhitzung auf dem Markt gewarnt. Sie hält die Immobilien landesweit für um 39 Prozent überbewertet. In Wien seien die Immobilien sogar schon um 45 Prozent überteuert. Damit das Risiko vom Immobilienmarkt nicht auf den Finanzmarkt überschwappt, hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) deutlich strengere Vergaberichtlinien angeordnet. Diese gelten seit 1. August und schränken die Banken bei der Kreditvergabe erheblich ein. Im Oktober hatten Finanzminister Magnus Brunner und die Landeshauptfrau von Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, die FMA zur Lockerung dieser aufgefordert.

Wie „Die Presse“ erfuhr, sei hier eine Ausweitung der Ausnahmekontingente denkbar. Solche nutzen die Banken etwa für eine Zwischenfinanzierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2022)

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