Wien Modern

Mit der Kraft der Kabbala durchs All

Noch bis 11. 11.: ein kurzer, lohnender Abend der Wunder, Rätsel und Riten im Planetarium.
Noch bis 11. 11.: ein kurzer, lohnender Abend der Wunder, Rätsel und Riten im Planetarium.Armin Bardel
  • Drucken

In seinem Oratorium „Kabbala“ versenkte sich der heuer verstorbene René Clemencic in jüdische Mystik. Sirene-Operntheater und Wien Modern nützen das Werk im Planetarium Wien zur Reise durch Mikro- und Makrokosmos.

Was anderes als der Blick in den Sternenhimmel könnte im Planetarium Wien der Ausgangspunkt sein? Ringsum am Horizont, dort, wo die Projektionskuppel auf der Wand aufsitzt, werden bald Wasserwellen sichtbar – so, als würde man nachts im Ozean schwimmen. Die Wellen steigen und verwandeln sich in ein Band, das gen Himmel entschwebt und dort weiterwabert, bis ein zweites nachfolgt, schlingert, sich zum Zeichen der Unendlichkeit verdreht. Eine gute Stunde später, gegen Ende, werden diese Wasserringe ihr Pendant im Feuer finden, in der visuell fassbar gemachten Sonnenoberfläche mit ihren Protuberanzen. Dazwischen, gegliedert in die zehn Kapitel der Partitur: Aufschlüsselungen des Urknalls, Reisen durch Molekülwolken und pittoreske astronomische Nebel, Supernova-Explosionen. Und beim schnittigen Kurven durchs Sonnensystem bekommen selbst Hartgesottene weiche Knie, weil ihnen der Bezugspunkt verloren geht und sich nicht mehr die Bilder bewegen, sondern das ganze Planetarium sich in ein fliegendes Raumschiff verwandelt . . .

Partitur? Ja. Mit einem dumpf grollenden Paukenwirbel fängt alles an. Er schwillt bedrohlich an, bis ein elementarer Aufschrei daraus hervorbricht: eine signalhafte Dissonanz des Blechs, gebildet durch zwei Töne der Posaunen im Sekundabstand. Rein intuitiv sei dieser Beginn damals entstanden, hat René Clemencic einmal verraten, zu deuten habe er ihn selbst erst später vermocht: „Der Buchstabe Beth vertritt die Zahl 2, die Zahl unserer Welt: Bei uns ist alles bipolar. Mit ihm beginnt auch die Bibel: ,Bereschit‘, ,Im Anfang‘. Das Aleph davor, mit dem das Alphabet beginnt, die Eins, liegt vor unserer begreifbaren Existenz. Es hat keinen Laut, ist nur ein Hauch, existiert physisch eigentlich gar nicht. Gut, es kann ein Vokal unterlegt werden, aber man stelle sich vor: Der Beginn, die Grundlage der Buchstabenreihe ist eigentlich nicht vorhanden. Sehr merkwürdig, nicht? Und grandios!“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.