Israel

Die große Zitterpartie bei der Wahl in Israel

Israeli Prime Minister Yair Lapid smiles to the cameras as his wife Lihi casts her vote at a polling station in Israel
Israeli Prime Minister Yair Lapid smiles to the cameras as his wife Lihi casts her vote at a polling station in Israel(c) IMAGO/UPI Photo (IMAGO/JACK GUEZ)
  • Drucken

Ministerpräsident Jair Lapid und Oppositionsführer Benjamin Netanyahu kämpfen um jede Stimme. Die Wahlbeteiligung war so hoch wie seit 1999 nicht mehr.

Die fünfte Parlamentswahl in Israel in nur dreieinhalb Jahren wird erneut zur Zitterpartie. Die beiden politischen Hauptrivalen - Ministerpräsident Jair Lapid und Oppositionsführer Benjamin Netanyahu - kämpften am Tag der Wahl noch um jede Stimme. Dabei zeichnete sich am Dienstag die höchste Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten ab - welchem politischen Lager die Mehrwähler nutzen werden, war am Nachmittag jedoch noch unklar.

Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Beteiligung der 6,8 Millionen Wahlberechtigten bis 17.00 Uhr (MEZ) bei 57,7 Prozent - die bisher höchste seit 1999.

Mit Schließung der Wahllokale werden gegen 21.00 Uhr (MEZ) erste Prognosen auf Basis von Nachwahlbefragungen veröffentlicht. Ein klares Bild des Wahlausgangs wird jedoch erst nach Auszählung der Stimmen erwartet. Mit dem Endergebnis wird nicht vor Donnerstag gerechnet.

Comeback für Netanyahu?

Der frühere Langzeit-Regierungschef Netanyahu strebt mithilfe eines rechtsextremen Parteien-Bündnisses sein Comeback an. Bei seiner Stimmabgabe zeigte sich der 73-Jährige allerdings "etwas besorgt", ob ihm das auch gelingen wird. Der Vorsitzende der rechtskonservativen Likud-Partei wies darauf hin, dass die Wahlbeteiligung in Hochburgen der politischen Konkurrenz bisher höher sei. Er hoffe dennoch, den Tag "mit einem Lächeln zu beenden". An seine Anhänger appellierte der Politiker mit dem Spitznamen "Bibi", sofort an die Urnen zu gehen.

Auch sein Kontrahent Lapid rief vor Abgabe seiner Stimme zum Wählen auf. "Geht heute wählen, für die Zukunft unserer Kinder, für die Zukunft unseres Staates, wählt gut, und viel Erfolg uns allen", sagte der 58 Jahre alte Vorsitzende der liberalen Zukunftspartei Jesch Atid. Zuvor hatte er das Grab seines Vaters Josef (Tommy) Lapid besucht, eines Holocaust-Überlebenden, der als Journalist und Politiker bekannt geworden war.

Kommt es erneut zur Pattsituation?

Nach jüngsten Umfragen könnte Netanyahus Likud-Partei zwar wieder stärkste Kraft werden. Ungewiss ist dennoch, ob sich sein rechts-religiöses Lager insgesamt eine Mehrheit der 120 Sitze im Parlament sichern können wird. Es wird wieder mit einer möglichen Pattsituation zwischen dem Lager Netanyahus und dem seiner Gegner unter Führung Lapids gerechnet. Sollte es keine klare Mehrheit geben, würde Lapid vorerst im Amt bleiben. Sollte eine Regierungsbildung scheitern, könnte eine weitere Neuwahl im Frühjahr nötig werden.

Lapids Lager umfasst Parteien vom rechten bis zum linken Spektrum. Der 58-Jährige hat sich für die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates ausgesprochen. Sein Lager eint aber vor allem der Wille, eine Rückkehr Netanyahus zu verhindern. Gegen den 73-Jährigen läuft derzeit ein Korruptionsverfahren.

Als entscheidend gilt die Wahlbeteiligung der arabischen Bevölkerung. Die arabische Minderheit macht etwa 20 Prozent der rund 9,4 Millionen Bürger Israels aus. Sollte eine der kleineren Parteien im Lapid-Lager nicht die 3,25-Prozent-Hürde knacken, könnte dies den Weg zur rechtesten Regierung in der Geschichte Israels ebnen. Das rechtsextreme Bündnis von Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, die Religiös-Zionistische Partei, gilt als möglicher Königsmacher. Umfragen zufolge könnte ihre Partei als drittstärkste Kraft aus der Wahl hervorgehen. Eine solche Koalition könnte Netanjahu durch Gesetzesänderungen dabei helfen, seinem Korruptionsprozess zu entkommen.

Israels Dauerkrise seit 2019

Die Parteienlandschaft in Israel ist stark zersplittert und interessengeleitet. Auch Parteien aus ähnlichen Lagern sind oft nicht bündnisfähig. Neben inhaltlichen Differenzen liegt dies auch an persönlichen Streitigkeiten. So gilt etwa Netanjahus Verhältnis zu anderen Hauptfiguren des rechten Lagers als extrem schlecht.

Israel befindet sich seit 2019 in einer Dauerkrise. Die vergangenen Wahlen hatten oft zu unklaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Die aktuelle Acht-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Naftali Bennett war im Juni zerbrochen, nachdem sie nach nur zwölf Monaten ihre Mehrheit verloren hatte. Im Anschluss übernahm Außenminister Lapid den Posten des Regierungschefs.

Präsident Izchak Herzog bestimmt nach der Wahl, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Kandidat hat dann vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Wie nach der Wahl im letzten Jahr könnte es Wochen oder Monate dauern, bis eine Regierung steht.

(APA/dpa)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Israel

Was Netanjahus Rechtsblock vorhat

Der langjährige Premier feiert ein Comeback. Doch die Ultranationalisten könnten der Koalition den Stempel aufdrücken.
Benjamin Netanjahu steht nach der geschlagenen Parlamentswahl vor einem politischen Comeback.
Comeback

Netanjahu gewinnt Parlamentswahl in Israel klar

Israels früherer Ministerpräsident dürfte nach einem Jahr in der Opposition wieder als Regierungschef zurückkehren. Seine Likud-Partei geht nach Auszählung von gut 86 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl in Israel hervor.
Anhänger Netanjahus jubelten, als erste Exit-Poll-Ergebnisse bekannt gegeben wurden.
Analyse

Israel: Benjamin Netanjahu bereitet sich auf sein Comeback vor

Laut Prognosen zeichnet sich bei der Parlamentswahl ein Sieg des Bündnisses rund um Ex-Premier Netanjahu ab. Israel driftet deutlich nach rechts.
ISRAEL-VOTE
Außenpolitik

Israel-Wahl: Exit-Polls prognostizieren absolute Mehrheit für Netanyahu-Block

Die rechtskonservative Likud-Partei des Oppositionsführers Netanyahu dürfte stärkste Kraft werden. Die Zukunftspartei von Ministerpräsident Lapid landet demnach auf Platz zwei.
Itamar Ben-Gvir auf Wahlkampftour am Mahane-Yehuda-Markt in Jerusalem. Der rechtsextreme Politiker könnte nun erstmals in eine Regierung kommen.
Reportage

Israels rechter Scharfmacher will in die Regierung

Israel wählt ein Parlament – zum fünften Mal in dreieinhalb Jahren. Der rechtsradikale Politiker Itamar Ben-Gvir  könnte es dabei in die Regierung schaffen. Im Wahlkampf taucht er an sozialen Brennpunkten auf und gießt Öl ins Feuer.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.