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"Keine Lust" bis "Rote Karte": Hitzige Sondersitzung zu Korruption

SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES: KICKL/NEHAMMER/SOBOTKA
SONDERSITZUNG DES NATIONALRATES: KICKL/NEHAMMER/SOBOTKA(c) APA/ROBERT JAEGER
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Die Sondersitzung gestaltet sich hitzig: Die Oppositionsparteien fordern Neuwahlen. ÖVP-Kanzler Nehammer räumt ein „miserables Bild ein“, hält aber fest: „So bin ich nicht.“

Auf Wunsch von FPÖ und SPÖ ist der Nationalrat am Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über die jüngsten Entwicklungen in der „ÖVP-Korruptionsaffäre" zu diskutieren. Der Anlass: Der frühere Finanzgeneralsekretär Thomas Schmid hat Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz und andere ranghohe Türkise vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) massiv belastet; darunter auch den vorsitzführenden Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Letztere nannte die Vorwürfe erfunden, Kurz wiederum legte das Protokoll eines aufgenommenen Telefonats vor - dessen Tonspur nun publik wurde - und sieht sich als entlastet an. Die Fronten sind entsprechend verhärtet.

Die SPÖ wollte sich von all dem nicht beeindrucken lassen und stellte einen „Dringlichen Antrag" an den aktuellen ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer, um Klarheit zu schaffen.

„Sie haben die Krise leider mitverursacht“, wandte sich der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried in seiner Rede sogleich an den Regierungschef. „Meiner Ansicht nach fängt die politische Verantwortung nicht beim Strafrecht an“, sondern beim Anstand. Er verwies auf Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der einst meinte: „So sind wir nicht.“ Allerdings, so Leichtfried: Er sei sich nicht sicher, ob das noch für die ÖVP gelte, die sich christlich-sozial nenne. Es habe sich herausgestellt, dass es sich „türkise Günstlinge“ richten könnten. Anders ausgedrückt: „Ihnen sind 7,5 von den Zehn Geboten wurscht“, so Leichtfried mit Blick auf Nehammer.

Und schickte nach: „Sie haben nur ein Ziel: aussitzen, aussitzen, aussitzen. Davon hat kein Mensch in Österreich etwas.“ Tatsächlich gebe es so viel zu tun, verwies Leichtfried auf die Teuerung, die Klimakrise, eine drohende Deindustrialisierung und fehlende Fachkräfte. „Wer kümmert sich darum? Sie nicht“, schloss er, um Nehammer aufzufordern: „Machen Sie den Weg zu Neuwahlen frei.“ 

Nehammer: „So bin ich nicht - das tut mir leid“ 

Der Kanzler konterte umgehend: Die vergangenen Wochen hätten „ein miserables Bild“ zutage gefördert. „Wenn es diese Vorgänge gegeben hat, dann verurteile ich sie auf das Schärfste“, betonte Nehammer. Es sei nicht zu entschuldigen, wenn Umfragen mit Steuergeld bezahlt würden. Es sei unmöglich, dass Multimillionäre es „sich richten können, wenn sie bei Spitzenfunktionären anrufen“. Er sei aber nicht angehalten, das zu beurteilen oder jemanden schuldig oder freizusprechen - das sei die Sache der Gerichte. Er könne lediglich festhalten: „So bin ich nicht und so sind wir nicht.“

Er wolle sich dennoch bei den Bürgerinnen und Bürgern entschuldigen: Während sich die Menschen wegen der Teuerung Sorgen machen, sich vor weiteren Auswüchsen des Ukrainekrieges fürchten, über Klima- und Migrationskrise sprechen würden, debattiere man im Nationalrat den Gang in Neuwahlen. „Das tut mir leid“, so Nehammer. Er wolle sich dafür einsetzen, die Menschen „auf diesem schwierigen Weg zu begleiten“. Die Regierung sei für die Bevölkerung da, zählt er einige Beschlüsse auf, etwa die Strompreisbremse. Zudem habe man die Gasspeicher für den kommenden Winter gefüllt. Sein Fazit: Man mache „redliche Politik“.

„Rote Karte“ für Sobotka, grüner Appell an die Blauen

„Das heute hätte Ihr großer Tag sein können“, machte sodann FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl weiter. Er meinte damit: Nehammer hätte die politische Verantwortung für den „Korruptionssumpf“ übernehmen und bekannt geben können, „wie Sie Ihre Volkspartei an Haupt und Gliedern radikal erneuern“. Gekommen sei es dazu nicht, sondern zu „Süßholzgeraspel“ und „Realitätsverweigerung“. Am Ende werde sich dennoch zeigen, ob die ÖVP eine kriminelle Vereinigung sei, prognostizierte Kickl, bevor er sich an Sobotka wandte und diesem die „Rote Karte“ zeigte.

Als „unerträglich“ bezeichnete die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer die im Raum stehenden Vorwürfe gegen den Koalitionspartner. „Die ÖVP muss in ihren Reihen Ordnung schaffen“, betonte sie, erinnerte aber zugleich daran, dass diese mit einer „b'soffenen G'schicht in Ibiza“ rund um Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache begonnen habe. Die Freiheitlichen könnten sich also nicht aus der Verantwortung ausnehmen, die Grünen sehr wohl: Man setze sich für Transparenz ein, beispielsweise, indem man an einem Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz mitgearbeitet habe.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hatte anschließend „überhaupt keine Lust, hier heute zu reden“. Denn: Man rede seit Jahr und Tag über dasselbe: „Es liegt alles am Tisch, verdammt nochmal, und es bleibt alles gleich.“ Dreieinhalb Jahre nach Van der Bellens eingangs zitierten „So sind wir nicht“ seien viele Österreicherinnen und Österreicher der Meinung: „So sind die alle in der Politik.“ Und sie hielt fest: „Es geht nicht um das Strafrecht“, denn auch das, was Strache auf Ibiza gesagt bzw. in Aussicht gestellt habe, sei hierzulande nicht strafbar. Trotzdem habe er zu Recht gehen müssen, „weil das einfach nicht geht“. Ihre Conclusio: Das Vertrauen sei im Keller, einzig Neuwahlen könnten Abhilfe schaffen.

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